Schwarzwaelder Dorfgeschichten
niederkniete, dachte Ivo mit Freude an sein Muckele.
Als sie lasen, daß der Heilige so hoch begnadigt war, die Wundenmale Christi, die durchstochenen Hände und Füße und die Lanzenwunde im Herzen an seinem eigenen Leibe auf wunderbare Weise zu empfangen, fing Clemens laut zu weinen an.
Er wiederholte seinen Vorsatz, Franziskanermönch zu werden, und forderte auch Ivo zu gleichem auf, damit sie nach der Ordensregel zu zwei durch alle Welt wandeln, Qualen aufsuchen, arm und hilflos nur von Almosen leben.
Mit unersättlicher Gier versenkte sich dann auch Clemens in die Tiefen der Mystik und riß seinen Freund mit sich fort.
Fußnoten
1 Meisterlos, so viel als unbändig, den Niemand bemeistern kann.
2 Verkleinerungsform von Ah.
12.
Der Studentle.
In der Vacanz wurde Ivo wiederum mächtig in das Leben hineingezogen. Da konnte man das Treiben und Wirken der Außenwelt nicht so leicht von sich weisen und sich in eine Welt willkürlicher Gedanken versenken. Solche Ueberhebungen sind meist nur möglich, so lange man außerhalb der Familie, also außerhalb des wirklichen Lebens steht; so wie er ins Dorf zurückgekehrt war, schlangen sich wiederum die Familienbande um ihn, und die vielfach in einander verwebten Lebensgeschicke der Dorfbewohner drangen auf ihn ein. Er kannte ja das innere Gebaren in all diesen Häusern, hinter all diesen Mauern; er fand sich wie nach einem Erwachen wieder.
Eines Abends traf Ivo den Constantin vor seinem Hause, er kaute an einem Strohhalm und sah verdrießlich drein.
»Wo fehlt's« fragte Ivo.
»Was? du kannst mir doch nicht helfen.«
»Nun, so sag's doch.«
»Du hast keinen Sinn für die Welt, du kannst dir nicht denken, was das ist: jetzt ist bald Pfingsten, und da ist der Hammeltanz und – ich hab' keinen Schatz; ich könnte einen haben, aber ich hab' mich zu patzig benommen, und doch mag ich halt keinen andern, und es thät mich gottsträflich verzürnen, wenn sie mit einem andern ging'. Das gibt einen Hammeltanz, daß Gott erbarm'.«
»Wer ist denn die Stolze?«
»Du kennst's wohl, die Emmerenz.«
Ivo erschrak unwillkürlich, er fragte aber doch schnell:
»Hast du schon lange Bekanntschaft mit ihr?«
»Sie will ja nichts von mir, das ist eben die Sach', die thut so heilig und zimperlich wie die keusche Diana.«
»Meinst du's denn auch ehrlich mit ihr und willst du sie heirathen?«
»Was? ehrlich? G'wiß, was denn anders? aber vom Heirathen ist jetzt noch keine Red', kennst du noch das alte Burschenlied:
Lieben, lieben will ich dich,
Ich will dich lieben,
Aber heirathen nicht.«
»Da muß ich der Emmerenz recht geben.«
»Was?
sans touche,
das kapierst du nicht recht; so ein Mädle muß
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sein, wenn es einen Schatz kriegt, wie ich bin. Des Schulzen Bäbele thät mit allen zehn Fingern nach mir langen, wenn ich nur bst! machen thät; aber die könnt' jetzt auch nicht mehr die keusche Kirche vorstellen, wie bei des Georgs Primiz; ich mag sie nicht.«
Während Ivo und Constantin so mit einander sprachen, kamen auch der Peter und der Florian hinzu.
»Ah!« sagte der letztere, »läßt sich der Herr Student auch einmal sehen? Ich hab' gemeint, unsereins wär' ihm zu gering, daß er ihm nur ein Wörtle gunnen thät.«
»Ja,« ergänzte Peter, »alle Buben im Ort sagen: so wär' noch keiner gewesen wie du, Ivo; du thust ja, als ob du von Stuttgart wärst und nicht von Nordstetten.«
»Um Gotteswillen,« sagte der von allen Seiten angegriffene Ivo; »es ist mir nie eingefallen, stolz zu sein; kommet, wir gehen mit einander in's Wirthshaus.«
»Das ist recht,« sagte Florian, »wir feiern heut' Abend meinen Abschied, morgen geh' ich in die Fremd'.«
Die Leute im Dorfe wunderten sich, als sie den Ivo mit dem Kleeblatt dahingehen sahen; das war ein seltener vierblätteriger Klee.
»Haben wir auch einmal die Ehr?« sagte die Adlerwirthin, als Ivo mit den andern in die Wirthsstube trat. »Ich will gleich ein Licht in's Verschlägle stellen. Mit was kann man aufwarten? Soll ich ein Schöpple guten Ueberrheiner bringen?«
»Wir bleiben für jetzt noch bei Württemberg,« sagte Constantin, »und der Ivo trinkt mit uns, er ist ein Nordstetter Bub, grad wie wir auch.«
»Wie du nicht, das wär' schad',« entgegnete die Wirthin.
»Ich will dir einmal 'was aufzuraten geben, du Schneppepperle: worin sind die Weiber und die Gäns' einander ganz gleich?« sagte Constantin.
»Daß so Ganstreiber wie du sie regieren wollen,« erwiderte die
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