Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Wirthin.
»Bärbele, sei froh: wenn man am Dummsein schwer tragen thät, du könntest schon lange nimmer laufen. Ich will dir's sagen, worin sie gleich sind: an den Gans' und an den Weibern ist Alles gut bis auf den Schnabel. Jetzt gang und hol ein Maß Sechser.«
»Du bist kein' Batzen werth,« sagte Bärbele lächelnd, indem es fortging, um das Befohlene zu bringen.
Wir haben es wohl wieder erkannt, es ist das Bärbele, dessen wir uns noch vom Jäger von Mühringen her erinnern. Der Kaspar hatte den Adler gekauft, und Bärbele war eine tüchtige Wirthin; es konnte jedermann gut unterhalten und blieb, wie wohl bekannt, niemand eine Antwort schuldig, so daß sogar die Horber »Herren« nicht mehr bloß in das Schäpfle gingen, sondern auch den Adler mit ihrem Besuche beehrten.
Nachdem eingeschenkt und angestoßen war, begann Florian das Lied: »Es geht ein Pudelmann 1 um unsern Tisch herum, 'rum 'rum.« Dann wurde »Sasa geschmauset« gesungen, und die Worte »edite, bibite« waren in »hebet sie, leget sie« übertragen; diese Einbringung fremder Kultur war das Werk Constantins. Die Bursche thaten sich nicht wenig zu gut auf ihre neuen Lieder. Ivo sang mit lächelnder Miene mit, denn er wollte nicht herrisch erscheinen.
Die drei Kameraden waren trefflich eingeübt. Peter sang die erste Stimme, und obgleich er einen klangvollen Tenor hatte, überbot er ihn doch durch übermäßiges Schreien, denn die singenden Bauern und die predigenden Pfarrer halten meist die in's Unnatürliche getriebene Stimme für schöner und weihevoller. Constantin bewegte sich beim Singen auf und nieder, er ballte die beiden Fäuste und schlug damit in kurzen Sätzen in die Luft; Florian aber lag ruhig mit beiden Armen auf den Tisch gestemmt und drückte wie zu innerer Andacht die Augen zu.
Die Maß war bald getrunken, da rief der Studentle: »Bärbele, noch einmal so, auf Einem Fuß lauft man nicht,« und dann sang er:
Wein her! Wein her!
Oder i fall' um und um.
Umfallen thur i net,
Lutherisch wur i net,
Wein her! Wein her!
Oder i fall' um.
Gleich darauf aber sang er wieder:
Und die ni gar et mag,
Die sieh ni alle Tag,
Und die ni gerne hätt',
Die ist so weit aweg;
Kein' Schöne krieg i net,
Kein' Wüste mag i net,
Und ledig bleib' i net:
Was fang i an?
»Ist's wahr, Constantin?« fragte Bärbele, »kannst du so gut polnisch betteln gehen? Hat dich die Emmerenz mit einem Helf dir Gott 2 um ein Haus weitergeschickt?«
»Ich parir' drei Maas vom Besten, sie geht mit mir zum Hammeltanz und mit keinem Andern.«
Florian sang:
»Wegen ein'm Schätzle trauern,
Das wär mir e Schand,
Und i kehr mi glei um,
Geb er Andre die Hand.«
Peter erwiderte:
Wenn i schaun kein Schatz haun,
I leb ohne Sorge;
Es wurd alle Tag Obed
Und wieder morge.
Constantin sang:
Wenn's schneit, so schneit's weiß,
Und wenn's g'friert, so g'friert's Eis;
Und was die Leut' keit,
Des thur i mit Fleiß.
Florian dagegen:
Heut ist es grad acht Tag',
Hot mir mein Schatz aufg'sagt;
Es hat so bitter g'weint
Und i haun g'lacht.
Und:
Drei Wochen vor Ostern,
Do goht der Schnee weg,
Do heiret mein Schätzle,
No haun i en Dreck.
»Nicht so, man muß den Stiel umkehren; so muß es heißen,« sagte Constantin und sang:
Drei Wochen vor Ostern,
Da geht a weg Schnee,
Da heiret mein' Wüste,
Do haun i e schön'.
Ein schallendes Gelächter und allseitiger Lobpreis aus allen Ecken der Stube lohnte das neue Gesätz.
Der Peter sang:
Schätzle, du närrt's,
Du liegst mir im Herz
Und du kommst mir et draus,
Bis das Leben ist aus.
Und:
Wenn i nu wüßt',
Wo mei Schätzele wär',
Und da wär' mein Herz
Nit halb a so schwer.
Florian sang wieder:
Und wenn man will recht fröhlich sein
Und leben ohne Kummer,
Muß mer heiren wie die Vögelein:
Nur auf ein einzigen Sommer.
Constantin sang:
Zu dir bin i gange,
Zu dir hat's mi g'freut.
Zu dir gang i nimmeh,
Der Weg ist mir z'weit.
Es wär mir et z'weit,
Und er wär' mir schon recht,
Und du kannst dir's wohl denken,
Du bist mir viel z'schlecht.
Ivo saß mit unruhigem Sinnen hinter dem Tische. Er dachte darüber nach, wie oft er um diese Stunde bei der einsamen Lampe die Geheimnisse der Weltschöpfung und Erlösung zu enträtseln trachtete, wie da all das Treiben der Menschen, all die Wünsche des Einzellebens fernab von ihm lagen, und nun stellte er all diesem das Leben seiner
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