Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Altersgenossen entgegen. Der Mittelpunkt ihres Denkens und Treibens war die Liebe, in derbem Spott wie in zarten Sehnsuchtshauchen klang das einzige Gefühl doch überall durch – das ganze Dasein fiel ihm wiederum wie von scharfem Stahl zerschnitten in zwei Hälften auseinander, in Geistlich und Weltlich. Bärbele hatte ihn genau beobachtet, es hatte das mißbehagliche Zucken in seinem Antlitze wohl entdeckt, es ging daher auf die Singenden zu und sagte:
»Ei wie? schämet ihr euch nicht? könnet ihr denn nicht auch ein ordentlich Lied singen?«
Constantin erwiderte:
Ei, g'fällt's Euch halt et?
So gefällt es halt mir;
Ei könnet Ihr's besser,
So singet jetzt Ihr.
»Ja, wir wollen, wenn du mitsingst,« sagte Florian.
»Meinetwegen.«
»Nun, was denn?« fragte Peter.
»Ehrlich und fromm.«
»Ist mein Reichtum – nein, das mag ich nicht,« sagte Constantin.
»Nun, das: Morgens früh beim kühlen Tauen.«
»Ja.«
Bärbele begann herzhaft, und die Anderen sangen mit:
Morgens früh beim kühlen Thauen,
Wenn das Gras am längsten ist,
Werd' ich mein schön Schätzlein schauen,
Eh' und bevor es Niemand sieht.
Fuchs und Hasen soll man schießen,
Eh' sie laufen in den Wald;
Junge Mädchen soll man lieben,
Eh' und bevor sie werden alt.
Bis daß der Mühlstein trägt die Reben,
Und herausfließt rother Wein;
So lang der Tod mir schenkt das Leben,
So lang sollst du mein eigen sein.
Ivo dankte dem Bärbele herzlich für das schöne Lied, Constantin aber setzte sogleich drauf:
Aus ist's mit mir,
Und mein Haus hat kein' Thür,
Und mein' Thür hat kein Schloß,
Und vom Schatz bin i los.
Aus ist's mit mir
In dem ganzen Revier,
Und wann die Donau austrocknet,
So heirathen wir.
Und sie trocknet net aus
Und ist alleweil naß,
Jetzt muß ich gehn schauen
Um ein' anderen Schatz.
»Wollen wir jetzt das: Es ging ein Knab' spazieren?« fragte Bärbele.
»Laß du ihn nur daheim,« entgegnete Constantin.
»O du! wärst du daheim blieben, hätt' man dich nicht heimgeschickt wie das Hundle von Bretten.«
»Fang eins an,« sagte Florian, und sie sangen nun
Froh will ich sein!
Wann's nur dir wohl geht,
Wann schon mein jung frisch Leben
In Trauerheit steht.
Alle Wässerlein auf Erden,
Die haben ihren Lauf,
Kein Mensch ist schier auf Erden,
Der mir mein Herz macht auf.
Die Sonne und der Mond,
Das ganze Firmament,
Soll alles für mich trauern
Bis an mein selig End'.
Ivo saß unruhig auf seinem Stuhle, in diesem Liede war sein Schicksal ausgesprochen.
»Bleib nur da,« sagte Constantin, der die Unruhe Ivo's bemerkte.
»Bärbele, bei dir geht's nicht wie bei dem Wirth zu Emmaus, du gibst zuerst den guten und dann den schlechten, du hast da lutherisch und katholisch untereinander gebracht, der Wein ist eine gemischte Ehe.«
»Wenn die Mäus' satt sind, nachher schmeckt das Mehl bitter,« erwiderte die Wirthin.
»Wisset ihr was?« rief Constantin, »jetzt trinken wir warmen Wein.«
»Du hast g'nug für heut,« sagte Bärbele.
»Was wir nicht trinken, schütten wir in die Schuh'. Heut' wollen wir einmal einen Kommers halten, du bist doch auch dabei, und du, und du?«
Alles nickte bejahend, und Florian sang:
Bruder, trink einmal,
Wir seind ja noch jung,
Im Alter ist es immer
Für Sorgen Zeit genung.
Denn der gute Wein
Ist für gute Leute,
Bruder, laß uns heute
Froh und fröhlich sein.
Als der warme Wein kam, sang Constantin, mit den Füßen stampfend und mit den Fäusten auf den Tisch schlagend:
I und mein altes Weib
Können schön tanzen.
Sie nimmt den Bettelsack,
I nehm' den Ranzen.
Schenk mir einmal bayrisch ein,
Bayrisch wollen wir lustig sein:
Bayrisch, bayrisch, bayrisch wollen wir sein.
Sie ging wohl in die Stadt,
I bleib' da draußen;
Was sie erbettelt hat,
Thur ich versaufen.
Schenk mir einmal bayrisch ein u.s.w.
Es war schon spät, ein Knabe hatte Ivo den Hausschlüssel gebracht, der Schütz war gekommen, um »abzubieten«, aber Constantin beschwichtigte ihn durch ein Glas Wein; gleiches gelang auch bei dem bald eintretenden Nachtwächter. Constantin begann die Professoren nachzuahmen und von seinen Studentenstreichen zu erzählen. Sich entschuldigend stand Ivo auf, um nach Hause zu gehen, die andern wollten ihn halten, Constantin aber machte ihm Platz, besonders weil er sich scheute, im Beisein Ivo's fremde Heldenthaten sich selber anzueignen; er sagte daher nur noch:
»Trink aus,
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