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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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du könntest sonst über den Stumpen fallen.«
    Ivo leerte noch das Glas glühenden Weines und sagte gute Nacht.
    »Nimm die Stubenthür zu dir in's Bett,« rief ihm noch Constantin nach; Ivo hörte es nicht mehr.
    Eine linde Vollmondsnacht legte sich über die Erde, es war, als ob das sanfte Licht überall hin Stille und Ruhe ausbreitete. Ivo hielt oft an und legte die Hand auf die hochklopfende Brust, er zog die Mütze ab, um sein Haupt um und um von den sanften Lüften anfächeln zu lassen. Als er sich zu Hause entkleiden wollte, fühlte er doppelt, wie all sein Blut in ihm wogte, wie die schnellen Takte seiner Pulse sich jagten; er verließ daher nochmals das Haus, um draußen in dem Frieden der Nacht Ruhe zu finden. Auf der Landstraße und durch die Felder schritt er hin, er war so froh und selig, er fragte nicht warum, er hätte ewig so fortwandeln mögen, so mit freudig hüpfender Brust: der Geist des Lebens war wiederum in ihm auferstanden und trug ihn schwebend auf der schönen, friedlichen Erde. Als er endlich wieder heimgekehrt war, sah er die Thüre an der Ehren 3 -Kammer halb offen. Ohne daß er es wußte oder wollte, ging er hinein und stand wie festgezaubert: da lag Emmerenz. Der Mond beschien ihr Antlitz, ihr Haupt lag unter ihrem rechten Arme und die linke Hand ruhte an dem Gelände. Die Brust Ivo's hob sich, sein ganzes Wesen erzitterte, er wußte nicht, wie ihm geschah, aber er beugte sich über Emmerenz und küßte sie so leise und zart wie der Mondstrahl auf ihre Wangen; Emmerenz schien es doch zu fühlen, denn, sich auf die andere Seite legend, sagte sie nur halblaut: »Ein' Katz, Katz, Katz.« Ivo stand noch eine Weile still, mit emporgestrebten Armen lauschend, ob sie nicht erwacht sei; als sie aber ungestört fortschlief, ward Ivo von der Heiligkeit dieser Ruhe bewältigt, er schlug sich zähneknirschend mit geballter Faust vor die Stirne und verließ das Gemach. In seinem Zimmer warf er sich dann auf den Boden, und seine Seele im tiefsten Grunde marternd rief er: »Herr Gott! vergib, laß mich sterben, denn ich habe gesündigt. Ich bin ein Verworfener, Nichtswürdiger. Herr Gott! strecke deine Hand aus und zermalme mich.« – –
    Von Kälte geschüttelt, erwachte Ivo, es war Tag, er legte sich zu Bett. Die Mutter brachte ihm den Kaffee vor das Bett, sie fand ihn sehr übel aussehend, sie wollte es nicht zugeben, daß er aufstehe; Ivo aber ließ sich nicht davon abhalten, denn er wollte und mußte zur Kirche gehen.
    Als Ivo vor dem Stalle vorüberging, hörte er die Emmerenz drin singen:
     
    I haun koan Haus
    Und haun koan Hof,
    I haun koan Feld
    Und haun koan Geld,
    Und so e Mädle,
    Wie ni bin,
    Hot koan Freud' auf der Welt.
     
    »Warum so traurig?« konnte sich Ivo nicht enthalten zu fragen, »hast du schlecht geschlafen?«
    »Vom schlecht Schlafen weiß ich nichts, ich bin müd, wenn ich in's Bett komm', und da fallen mir die Augen zu; das Lied ist mir halt grad so eingefallen.«
    »Brauchst nichts zu verhehlen, gelt, du hättest eben doch gern den Constantin zum Schatz?«
    »Den? lieber den Franzosensimpel oder den blinden Koanradle; ich hab' kein Gelust, das halb Dutzend bei ihm voll zu machen. Ich brauch' kein' Schatz, ich bleib' ledig.«
    »So sprechen alle Mädchen.«
    »Du wirst schon sehen, daß mir's ernst ist.«
    »Wenn du einen braven Mann kriegen kannst, mußt du nicht zu heikel sein.«
    »Was könnt' ich kriegen? so einen alten Wittwer, der schon ein paar Weiber unter die Erd' geliefert hat. Nein, wenn ich einmal nimmer bei euch bleiben kann, bin ich kurz resolviert; ich hab' dem Gretle versprochen, ich komm' zu ihm nach Amerika. Es macht mir aber rechtschaffen Freud', daß du dich auch noch um mich kümmerst; so ist's ja nicht, daß, wenn man Geistlich wird, man gar nicht nach seinen alten Freunden umgucken darf?«
    »Ich wünsche von Herzen, daß ich dir zu deinem Glücke verhelfen könnte.«
    Emmerenz sah ihn freudestrahlend an, dann sagte sie: »Das hab' ich mir immer denkt, du bist allfort gut gewesen, ich hab's nie glaubt, daß du stolz seist. Frag nur dein' Mutter, wir reden oft von dir. Spürst als nichts in deinem rechten Ohr?«
    Die beiden plauderten noch eine Weile so mit einander. Emmerenz erzählte, daß sie der Mutter die Briefe vorlese und daß sie sie fast ganz auswendig wisse. Ivo hielt es für seine Pflicht, sie darauf aufmerksam zu machen, daß er auch ihrer nicht vergessen habe und daß sie nur stets recht brav sein solle; er sagte dieß Alles mit

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