Schwarzwaelder Dorfgeschichten
großer Selbstbeherrschung, denn das treuherzige Wesen des Mädchens hatte einen gewaltigen Eindruck auf ihn gemacht.
Es läutete, und an einigen mit ihren Gebetbüchern heimkehrenden alten Frauen merkte Ivo, daß er die Frühmesse versäumt hatte.
»Wo schaffst du denn heute im Feld?« fragte er noch.
»Draußen im Weiherle.«
Mit einem »B'hüt di Gott« ging Ivo auch hinaus in's Feld, aber gerade nach der entgegengesetzten Seite; es zog ihn oft dahin, wo er wußte, daß Emmerenz war, dann ging er aber um so schneller, um der Versuchung seines Herzens Trotz zu bieten. Endlich kehrte er nach Haus und nahm ein Buch vor, um zu studieren; aber er konnte seine Gedanken nicht zusammenbringen. Er nahm Papier und begann einen Brief an seinen Clemens, er wollte ihm sein ganzes Inneres aufdecken, bald aber zerriß er den angefangenen Brief wieder und tröstete sich damit, daß er seinen Freund ja bald wieder sehe.
Gegen alle frühere Gewohnheit war nun Ivo selten zu Hause. Er brachte oft halbe Tage in des Jakoben Schmiede zu. Die Schmieden sind Aufenthaltsplätze für allerlei Nichtsthuer, für alte Leute und Faulenzer; da kommen fremde Fuhrleute, da kommen Einheimische, die die Pferde beschlagen lassen oder schadhaftes Feldgeräthe bringen; wie der Blasbalg immer neu das Feuer anschürt, so strömt auch stets neue Unterhaltung herzu. Ivo dachte viel darüber nach, wie es geworden wäre, wenn der Wunsch seiner Kindheit in Erfüllung gegangen und er das Schmiedehandwerk erlernt hätte. Er nahm sich vor, einst, wenn er Pfarrer sei, diese Orte oft zu besuchen und hier gelegentlich manches gute Wort anzubringen. Und wenn er daran dachte, daß er vielleicht nie zum geistlichen Amte gelange, sagte er sich innerlich: »Immerhin, aber nur nicht so werden wie der Studentle.«
Fußnoten
1 Burschcomment.
2 Abweisung eines Bettlers.
3 Ehren – Hausflur.
13.
Der Zwiespalt.
Als Ivo wieder in das Kloster zurückgekehrt war, ließ er mehrere Tage vorübergehen, ehe er die Bewegung seines Innern seinem bleich gewordenen Freunde Clemens mittheilte; er schauderte mit Recht vor dieser Eröffnung.
Als sie wiederum im Burgholz waren, faßte Clemens die Hand Ivo's und sagte: »Ich habe es im Traume gesehen, wie Satan sein Netz über dich ausspannte.«
Ivo gestand seine Liebe zu Emmerenz.
»Wehe!« rief Clemens, »wehe! auch über dich ist der Versucher gekommen! Aergert dich dein Auge, so reiß es aus, du mußt die Höllenflamme in dir zertreten und sterbe auch dein Leben mit.«
Ivo mußte nun alsbald zur Beichte gehen. Auch von ihm erfuhr man nie, welche Buße ihm auferlegt wurde, nur willigte er gern in den Vorschlag des Clemens, daß sie fortan auf der Erde schliefen und sich auch sonst auf allerlei Weise kasteiten.
Clemens schlief fast immer auf der Erde, sitzend mit ausgebreiteten Armen, in der Form des Kreuzes.
Mit aller Macht seines Willens wendete Ivo seine Seele von den Weltgedanken ab, und es gelang ihm wiederum, sich ganz in die Gottesgelahrtheit zu versenken. Bald aber verfolgte ihn auch in diese heiligen Gebiete ein fremder Dämon. Er wagte es nicht, dieß Clemens mitzutheilen; denn dieser hätte von neuem kläglich Zeter gerufen.
So war der Zerfall der beiden Freunde schon vorbereitet, der endlich ganz unerwartet zum Durchbruche kam.
Clemens sprach einst von der Gottheit Christi, der den martervollen Kreuzestod über sich genommen, und wie ihn das erst als Gott und Heiland der Welt offenbare.
»Ich sehe an dem Kreuzestod nichts so Uebermenschliches,« sagte Ivo ganz ruhig. »Es ist heilig, aber nicht übermenschlich, als Unschuldiger für ein erhabenes Streben zu sterben. Nicht der gekreuzigte Christus, sondern der lebende und lehrende, der so allliebend war, wie noch keiner vor ihm, der ist mein Heiland; er wäre mir derselbe, wenn er die Treue seiner göttlichen Sendung auch nicht mit dem Martertode besiegelt, wenn die verblendeten Juden ihn anerkannt und ihn leben gelassen hätten. Nicht der gekreuzigte, sondern der lebendige Christus, sein göttliches Leben und seine göttliche Lehre ist mein Heiland, mein Erlöser.«
Clemens stand da und zitterte am ganzen Körper, seine Lippen quollen auf, sein Auge rollte wild, und mit gewaltiger Faust schlug er Ivo in's Gesicht, daß diesem die Funken aus den Augen sprühten und die Wange brannte.
Ivo stand ruhig da, Clemens aber fiel vor ihm nieder, faßte seine Hand und schrie:
»Wirf dich mit mir in den Staub, Elender! Wahrlich, die schwerste
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