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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Züchtigung, die für deine Gottlosigkeit dir werden konnte, hat der Herr durch meine Hand an dir vollführt; ich wollte es nicht, aber der Herr hat meinen Arm gegen dich geschleudert. Du bist mein Herzbruder, und durch mich mußtest du gezüchtigt werden, daß du es fühlest, wie zweischneidige Schwerther durch dein Gebein fahren. – Wirst du mich von dir stoßen, so ist das die härteste Strafe, die der Herr über dich verhängte; er will dir deinen besten Freund nehmen. Thue, wie dir dein Geist befiehlt, verstoße mich, dann bist du zwiefach elend. In tiefe Nacht muß dich der Herr tauchen, damit du zum Licht kommst, mit Wermuth muß er dich tränken, mit Galle dich sättigen, bis der Lügengeist aus dir ausfahre und der Sündenschlamm von dir abfällt. Herr! laß dir dieß Opfer wohlgefallen, ich opfere dir ein Stück meines Herzens, meinen Freund. Du bist mein Freund, o Herr! Vergib mir, daß meine Seele noch an ihm hing, der da ist ein Fraß der Würmer. Begnadige mich, o Herr! reiche mir den vollen Becher des Schmerzes, führ mich den Dornenweg, zu dir, zu dir!«
    Wehmüthig stand Ivo da und blickte auf seinen Freund, dessen überquellende Heftigkeit er wohl kannte; er wollte ihn aufrichten, Clemens aber wehrte es ab, und Ivo erkannte bald den vollen Gedankenlauf dieser Verzückung. Mit unbeschreiblichem Schmerze sah er dann hier in seinem lebendigen Freunde dessen Leiche vor sich, und wiederum war es ihm, als stünde sein eigener Geist vor dem eigenen entseelten Körper und sähe ihn zum letztenmal zusammenzucken; ihm schwindelte. Er versuchte es nochmals, Clemens aufzuheben, dieser aber richtete sich straff auf und fragte Ivo gebieterisch:
    »Willst du Buße thun? Willst du mit den Thränen der Reue den Rost deiner Seele abwaschen?«
    »Nein.«
    »So fahre zur Hölle!« rief Clemens, Ivo abermals packend; dieser aber wehrte kräftig ab, und der Wilde sagte bittend: »Schlage mich, tritt mich, ich will Alles gern über mich nehmen, aber retten muß ich dich, das will der Herr.«
    Ivo kehrte sich ab und verließ lautlos seinen Freund.
    Still und gedankenvoll ging Ivo lange Tage umher: die volltönendste Saite seiner Seele war in schrillem Mißklange zerrissen, er hatte eine schöne Liebe begraben, seine Trauer war tief und namenlos. – Jetzt auch, da er ein Extrem der Glaubensschwärmerei vor sich gesehen hatte, regten sich viele halbschlummernde Zweifel und Bedenken lebhafter, er war »zwiefach elend«, wie Clemens verheißen, aber er konnte sich nicht retten.
    Der Horber Kaplan war als Professor nach Tübingen gekommen, er hatte noch immer eine gewisse Vorliebe für Ivo; dieser schloß sich ihm inniger an und eröffnete ihm die Marter seiner Seele.
    Sonderbar! gerade über die Jungfrau Maria wagte Ivo die meisten Bedenken. Er fragte zuerst, ob sie »eine Heilige, auch allgegenwärtig sei«, da man doch überall zu ihr bete. Der Professor sah ihn etwas betroffen an, dann sagte er: »Der Begriff der Gegenwart ist ein bloß menschlicher, den körperlichen Dingen entnommen, eigentlich nur für sie geltend; indem wir das Wörtchen ›all‹ zu ›gegenwärtig‹ hinzusetzen, wollen wir nun die Gesamtheit des Daseins zusammenfassen, wir glauben nun dadurch einen neuen Begriff zu gewinnen, in der That aber haben wir keinen. Wie wir überhaupt nichts Ueberirdisches als solches in Begriffe fassen können, ist also das Dasein eines Geistes durch den Begriff der Gegenwart gar nicht meßbar. Wir fassen überhaupt alles Ueberirdische nicht durch den Begriff, sondern durch den Glauben.«
    Ivo befriedigte sich vollkommen mit dieser Antwort; schüchtern wagte er noch die Frage, wie man von der Jungfrau Maria sprechen könne, da doch in der Bibel Brüder Christi erwähnt würden.
    Der Professor erwiderte: »Das griechische Wort adelpos 1 ist nicht wörtlich zu nehmen, das ist ein orientalischer Ausdruck, aus dem Hebräischen genommen, und heißt so viel als Verwandter, Freund.«
    »So wäre also der Ausdruck yios teoy 2 auch nicht wörtlich zu nehmen, und wäre auch bloß orientalischer Ausdruck?«
    »Keineswegs, hierfür sprechen ausdrücklich die messianischen Stellen des Alten Testaments, die Evangelien und die Satzungen der Kirche, und dann,« setzte er hinzu, indem er die Mienen Ivo's scharf beobachtete, »ist die ganze Menschwerdung Gottes nur dazu, um dem menschlichen Begriff einen Halt zu geben, da, wie ich vorhin gesagt, wir das Ueberirdische nicht begreifen können. Das Wesen derselben ist und bleibt eben ein

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