Schwarzwaelder Dorfgeschichten
durch den Kopf, wenn er sich besann, wohin er wandere; die Frische der Bewegung erhellte aber seinen Sinn bald wieder. Er war nun seit vielen Wochen fast nicht mehr aus dem Dorfe gekommen, die trübseligen, engen Verhältnisse und der Kampf mit ihnen hatten ihn stets umschlungen; jetzt durchzog ihn wieder die freie Wanderlust, er fand wieder einen größern Maßstab des Lebens und sagte sich: »Man kann auch anderswo leben, es muß nicht gerade daheim im Dorfe sein. Ich kann mit meiner Creszenz glücklich sein, wenn auch der Schmiedjörgli und der Adlerwirth nichts davon wissen; aber Respekt müssen sie vor mir haben, nachher geh' ich. Von dem Gang da darf aber keine Sterbensseel' was erfahren.«
Es war gegen Abend als Florian an seinem Ziele anlangte. Er ging alsbald nach dem Pfarrhause, traf aber niemanden als die Haushälterin, eine wohlgenährte, stolze Person; sie suchte ihn auf allerlei Weise auszufragen, er aber sagte immer: er müsse mit dem Pfarrer selber reden. Endlich kam dieser, seine zwei halbgeschornen Spitzhunde mit Gebell voraus; sie wollten sich nun an Florian machen, er aber blickte sie nur an und sie krochen in eine Ecke. Nicht umsonst sagten die Leute, daß Florian die Hunde bannen könnte; die wildesten, wenn er sie nur scharf ansah, wurden zahm und scheu.
Jetzt aber schlug Florian die Augen nieder, da er den Pfarrer gesehen. Es war ein untersetzter, kräftiger Mann, der eine weiße und eins schwarze Halsbinde trug; selbst bis auf die Sommerflecken glich ihm Creszenz. Dem Pfarrer kam der scheue Blick Florians verdächtig vor, er fragte daher nach seinem Begehr.
»Ich muß allein mit euch reden,« erwiderte Florian.
Der Pfarrer hieß ihn in seine Studirstube folgen.
Florian übergab den Brief, der Pfarrer las. Florian verfolgte mit scharfem Blicke seine Züge.
»Von wem ist der Brief?« fragte der Pfarrer, »ich kenne die Person nicht.«
»Ihr kennet doch die roth' Schneiderin? da hat sie drunter geschrieben und das obere ist von ihrer ältesten Tochter. Die roth' Schneiderin liegt auf dem Todtenbett, sie wird nimmer aufkommen.«
»Thut mir leid. Sagt den Leuten einen schönen Gruß, und wenn ich was für sie thun kann wird's schon geschehen.«
»Und für die Creszenz wollt ihr jetzt nicht ein Besonderes thun?«
»Ich sehe nicht ein, warum?«
»Aber ich seh's ein, Herr Pfarrer. Es soll kein Mensch was davon erfahren, ich will einen Eid schwören und das Abendmahl drauf nehmen, aber helfen müsset ihr uns, ihr müsset, oder ich weiß nicht, was aus uns Beiden werden soll.«
Der Pfarrer suchte in der Tasche nach seinen Schlüsseln, er hatte den rechten gefunden, in der Hand damit spielend sagte er:
»Ich helfe armen Leuten gerne, aber ich kann jetzt nur wenig thun.«
»So gebet mir für's Andere ein Schriftliches.«
Bei diesen Worten schaute der Pfarrer verwirrt um sich, es war ihm als hätte er sich verrathen, da man eine solche Zumuthung an ihn zu stellen wagte; er sagte daher mit sichtbar erzwungener Härte:
»Einmal für allemal, die Leut' gehen mich nichts an und da habt ihr was für eure Zehrung.«
Er wollte Florian etwas Geld geben, dieser aber warf es ihm vor die Füße und rief:
»Ich frag' zum letztenmal: wollt ihr euch um euer Kind, das euch aus dem Gesicht geschnitten ist, annehmen oder nicht? Ja oder Nein? Ihr seid der Vater von meiner Creszenz. Ich darf euch nichts thun, ich will euch nichts thun, aber Herr Gott! ich weiß nicht, was ich thu.« Er langte mit der einen Hand nach dem Messer in der Seitentasche, schnappte mit der andern schnell das Schloß an der Thüre ab und fuhr dann fort: »Ich hab' noch kein unrechtes Stückle Vieh mit dem Messer abthan, aber« – er schäumte und zitterte vor Wuth.
»Unverschämter Mensch!« schrie der Pfarrer sich nach dem Fenster flüchtend und es aufreißend.
Da ging plötzlich die Wand auseinander, durch die Tapetenthüre trat die Haushälterin ein und sagte:
»Die Gemeinderäthe und der Schultheiß sind drüben, ihr sollet gleich 'nüber kommen, Herr Pfarrer.«
Florian entsank fast das Messer, der Pfarrer hatte sich hinter die offene Tapetenthür geflüchtet.
»Was ist euer letztes Wort?« fragte Florian nochmals.
»Fort aus meinem Haus, oder ich lass' ihn einstecken, wenn er nicht gleich gutwillig geht.«
Florian öffnete still die Thüre und ging zaudernd und schwankenden Schrittes davon, der letzte Ast am Baume seiner Hoffnung war gebrochen.
Einsam wandelte er dahin durch die Nacht, aber schreckliche Gedanken
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