Schwarzwaelder Dorfgeschichten
blitzdumm angefangen, bist 'rumtappt von einer Nummer auf die andere; da hat's nicht fehlen können, du hast dein Geld verlieren müssen. Soll ich's denn dem Krattenmachergesindel lassen? Ja, du hast ja geschworen, keinen Würfel mehr anzurühren. Ich halt meinen Schwur, ich geh' dort an den Tisch, wo der Spielhalter den Würfel durch die Schlang' rollen läßt, da rühr' ich's nicht an.«
Er ging abermals an einen Tisch und spielte zuerst wie die Andern um Kreuzer. Er spielte erst überlegt und wich nicht von seinem Plane, behielt die Nummern im Auge, die oft herausgekommen waren und setzte auf die anderen. So spielte er eine Weile, ohne etwas zu gewinnen oder zu verlieren. Nun ward ihm dieß langweilig, er setzte höher und auf mehrere Nummern und gewann; er winkte noch andere Bekannte herbei, sie sollten mitthun.
Bald aber wendete sich das Glück und Florian verlor. Jetzt taumelte er auf dem Brette umher, fuhr unschlüssig mit dem Gelde über alle Zahlen und setzte endlich, rückte aber noch ehe der Wurf geschah, oft wieder weg. Wenn es sich dann ereignete, daß gerade die verlassene Nummer gewann, lachte er laut auf. Das Glück ward ihm immer ungünstiger; er blieb nun wieder wie von Anfang auf bestimmten Nummern. Endlich hatte er wieder den letzten Groschen in der Hand und setzte ihn mit solchem Nachdrucke auf den Tisch, daß Alles wankte – abermals verloren.
Florian sah still drein, er athmete kaum hörbar, aber in seinem Innern stürmte und tobte es gewaltig; er blieb noch eine Zeit lang am Tische stehen, um seinen Bekannten nicht zu verrathen, daß er kein Geld mehr habe, und schlich sich endlich leise fort. Jetzt fluchte und gelobte er nicht mehr, kein guter und kein böser Vorsatz stieg in ihm mehr auf: er ging umher, wie ein Körper ohne Seele, ohne Gedanken und Willen, dumpf, ausgebrannt und hohl.
Die Musik, die jetzt zum Ohre Florians drang, erweckte ihn erst wieder zum Leben, er stand vor dem Wirthshaus zur Rose. Unter der Hausthüre stand der Franzosensimpel, der auf einen Freihalter wartete,
»Drenta marioin,«
rief er Florian entgegen, das Zeichen des Trinkens machend, Florian aber schob ihn bei Seite und ging hinauf zum Tanze.
Von allen Seiten wurde es ihm zugebracht, er nippte nur am Glase und wollte es wieder hinstellen. »Es ist in guter Hand,« rief man ihm zu, was so viel hieß als: du mußt austrinken. »Hinten hoch! sagen sie drunten am Rhein,« erwiderte dann Florian, auf einen Zug das Glas über dem Kopfe leerend.
Durch diese oft wiederholte Ladung fühlte er wieder neues Leben in sich, die verschiedenen Weine regten ihn auf und er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Endlich sah er den Peter, der auf ihn zukommend sagte: »Hast du die Creszenz gesehen? drüben im Ritter sitzt sie bei dem Geometer.«
Florian leerte schnell noch das Glas seines Freundes und eilte fort. Er freute sich, nun doch etwas zu haben, an dem er seinen Grimm auslassen konnte; er wollte ein Verbrecher sein, sich und Alles zu Grunde richten.
Auf Nebenwegen, an der alten Apotheke vorbei, wo kein Marktgedränge war, eilte Florian zum Ritter; er rannte die Staffeln hinan und nahm immer drei auf einmal.
Wenn nur die Menschen zum Guten auch so rennten, wie zum Bösen! Wie oft gehen sie durch Wind und Wetter, über Stock und Stein ihren niederen Gelüsten nach; gilt es aber die Pflicht oder sonst etwas Gutes zu thun, ist ihnen jedes Windchen zu rauh und jedes Steinchen eine unübersteigliche Mauer.
Tief athmend kam Florian im Ritter an.
Als Creszenz ihn sah, eilte sie freudestrahlend auf ihn zu, faßte mit beiden Händen seine zitternde Rechte und sagte:
»Gott Lob und Dank, daß ich dich wieder hab', jetzt bin ich wieder ganz dein, grad hab' ich dem Geometer ein für allemal aufgesagt. Es hat schon lang in mir kocht, jetzt ist's übergelaufen. Guck, ich bin froh, ich weiß mir gar nicht zu helfen, jetzt weiß ich doch wieder, wem ich bin, und dein bin ich, mag daraus werden, was will. Warum machst du denn so ein Gesicht? Bist du denn nicht auch froh, daß das Lugenleben ein End' hat?«
Sie rückte ihm das Kappenschild, das ihm in der Aufregung auf die Seite gekommen war, wieder zurecht in die Mitte der Stirne. Florian ließ Alles an sich hinreden und mit sich geschehen, es war ihm zu Muthe wie einem, der von Lastern und blutigen Gräueln geträumt und sich nun plötzlich an der Seite der Liebe und des seligen Friedens erwacht sieht. Er schreckte fast zusammen vor dieser innigen Liebe, die ihn mitten in
Weitere Kostenlose Bücher