Schwarzwaelder Dorfgeschichten
seiner Verworfenheit begrüßte. Nichts nannte er jetzt mehr sein, als sein armes Leben, das er gern von sich geschleudert hätte; nun ward es ihm wieder etwas werth, da ein anderes Leben es so warm umfing. Er lächelte schmerzlich froh und sagte endlich:
»Komm', Creszenz, wir wollen fort.«
Creszenz willfahrte ihm gern, sie schaute aber nochmals lächelnd und fragend auf, als eben ein frischer Walzer gespielt wurde; sie hätte trotz ihrer innigen Freudigkeit doch auch noch gern getanzt, sie wollte es aber nicht aussprechen, nicht sowohl aus Furcht vor Mißverständniß, als weil sie eigentlich froh war, ganz nach dem Willen Florians leben zu können.
Nicht weit von der Thüre saß der Schlunkel einsam bei seinem Schoppen, er hatte keinen Kameraden; er brachte es nun dem Florian vertraulich zu, der zu der betroffenen Crescenz sagte:
»Geh' einstweilen voraus, ich komm' gleich nach.«
Betrübt ging Crescenz weiter und harrte auf der Treppe, drinnen aber sagte der Schlunkel:
»Nun, gib mir jetzt mein Geld.«
»Ich kann nicht, ich kann mir's ja nicht aus den Rippen schneiden.«
»So gib mir das Messer, das du da stecken hast, zum Pfand.«
»Ich bitt' dich, wart' nur noch bis morgen Abend; wenn du's da nicht hast, bezahl' ich dir's doppelt.«
»Du hast gut doppelt versprechen, aber wer gibt mir's?«
»Ich.«
»Willst du morgen Abend zu mir kommen?«
»Ja.«
»Nun so meinetwegen.«
Florian ging schnell weg, als ihn aber Crescenz fragte: »Was hast du mit dem schlechten Menschen?« ward er so roth wie ein Feuerdieb und erwiederte:
»Nichts, er hat mir mein Messer abhandeln wollen.«
»Hast recht, daß du's ihm nicht geben hast, der hätt' einen Mord mit begangen.«
Florian schauderte zusammen, es that ihm tief wehe, daß Creszenz ihm so treuherzig glaubte.
9.
Wie ein Thunichtgut und wie ein liebendes Mädchen werden kann.
Der zehnte Mensch weiß nicht, wie der eilfte lebt. So konnten sich die Leute auch gar nicht denken, wovon der Florian zu essen und zu trinken hatte, er hatte aber auch in der That wenig und ging nun den Studentle um ein Darleihen an.
»Ja,« sagte dieser, »Florian, du solltest eben anders leben; das ist kein' Art, so kann das nicht gehen, du mußt dich ändern.«
»Das ist jetzt nicht am Ort,« erwiderte Florian, »sag' mir das ein andermal, wenn ich nicht in Noth bin, da geht's eher an; jetzt hilf mir und mach' mir keine Vorwürf'.«
Die zur Unzeit gemachten Ermahnungen prallten ab und verursachten gerade die entgegengesetzte Wirkung, Florian erschien sich dadurch mehr bemitleidens- als scheltenswerth, mehr unglücklich als schlecht. Mit einem gewissen Stolze des Verzeihens wiederholte er seine Bitte, worauf das Studentle erwiderte:
»Das geht nicht. Wenn man sich bald verheirathet, ist's aus mit dem Geldverzetteln; du mußt halt allein sehen wie du's machst.«
Der Studentle war nämlich mit des alten Schultheißen Bäbele Bräutigam geworden, obgleich wir uns noch aus der Geschichte des Ivo her erinnern, daß er nicht gar hoch vom Bäbele dachte.
Er hatte um des Buchmaiers Agnes gefreit und, wie vorauszusehen war, einen Korb bekommen; er erzählte nun dies offenkundig, »denn« berechnete er, »du mußt bei den Leuten ja als ein Hauptkerl gelten, weil du die Kurasche gehabt haft um das erste Mädle anzuhalten; drum sollen sie's Alle wissen, da werden die reichsten gesprungen kommen.« Sie kamen aber nicht und er begnügte sich mit dem Bäbele.
Bei dem Studentle ging es nun wie bei gar vielen verschwenderischen Menschen: wenn sie auf eigene Strümpfe kommen, werden sie geizig und hart.
Es war für Florian allerdings ein Unglück, daß gerade der Studentle sein Hauptkamerad war; er sagte sich nun oft: »der ist doch kein Bisle besser als du, und warum geht's ihm besser?« Er grollte dann immer mehr mit dem Schicksal, ward unglücklich und schlaff.
Creszenz aber war indessen ganz glückselig; so sehr sie auch ihr Vater mißhandelte, weil sie den Geometer aufgegeben, war sie doch durch letzteres eben gerade recht glücklich; ihr Wesen war nicht mehr getheilt, sie gehörte ganz dem an, den sie stets im Herzen getragen. Die traurige Lage Florians blieb Crescenz nicht verborgen, sie sah kein Verbrechen darin, ihm ans allerlei Weise Hülfe zu verschaffen. Sie entwendete Tabak und andere Sachen aus dem Laden und drang es heimlich dem Florian auf. Anfangs schämte er sich zwar es anzunehmen, nach und nach aber lehrte er sie, wie sie ihm immer mehr verschaffen sollte, denn er
Weitere Kostenlose Bücher