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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Auseinandersetzung kommen. Die ganze Versammlung war seelenfroh, daß das zu ernste Gespräch endlich eine lustige Wendung genommen hatte. Nur so viel vermochte er darzulegen, daß er weit entfernt sei, die Kinder und das Vieh in eine Reihe zu stellen.
    »Davon ist keine Red',« sagte der Buchmaier, »Ihr habt ja des Mathesen Hannesle einen Kuß geben, das thut man keinem Vieh. Aber jetzt ist mir's, wie wenn ich eine dreifache Versicherung hätt', daß das mit den Thierquälervereinen nichts ist als den Hühnern die Schwänz 'naufbinden, sie tragen's schon allein oben.«
    Die Heiterkeit steigerte sich nun immer mehr, überall öffneten sich die Schleußen eines nicht immer sehr wählerischen Witzes. Der Lehrer war nicht dazu aufgelegt, sich davon fortreißen zu lassen, vielmehr ward er im Tiefinnersten verstimmt.
    Mit jenem quälenden Gefühle, vor Mehreren seine Ansicht ausgesprochen zu haben, ohne sie ganz dargelegt zu haben und ohne ganz gehört worden zu sein, verließ der Lehrer nun bald das Wirthshaus. Er sah es wohl ein, wie schwer es ist, eine Versammlung von Erwachsenen in der gründlichen Erforschung eines Gedankens zu leiten und ihn durchzukatechisiren; bald aber verließ er diese Betrachtung wieder und ward überzeugt, daß er hier die Rohheit getroffen, die nicht in der eckigen und derben Natürlichkeit, sondern in der selbstgefälligen Mißachtung der Bildung und der verfeinerten Ansichten besteht. Er war sehr betrübt. Der Vorsatz: sich nur der bildsamen Kindheit und der reinen Natur hinzugeben, befestigte sich stets mehr in ihm.
    Andern Tages, es war Samstag, machte der Lehrer die Besuche bei den Gemeinderäthen, er traf aber keinen zu Hause. Er ging nun zuletzt zu dem alten Schullehrer, man wies ihn nach einem Garten am Wege. Hier waren die Beete nach der Schnur schön geordnet und mit Bux eingefaßt; der üppige Buchenzaun, der das Ganze einhegte, war schön geschoren und nach genau abgemessenen Zwischenräumen erhob ein Stämmchen nach dem andern seine gerundeten Zweige über den Haag. In der Mitte war ein Rondell, um welches ein mehrere Schuh hoher Bux einen natürlichen Kübel bildete, Blumen aller Art knospeten und blühten. Man vernahm hinten am Garten, in der Nähe der Laube, ein Gespräch. Der Lehrer trat auf die beiden Männer zu und seinen Hut abziehend sagte er:
    »Kann ich den Herrn Schullehrer sprechen?«
    »Wir sind zwei für Einen, he, he,« sagte der alte Mann, der hemdärmelig die Hacke in der Hand hielt.
    »Ich meine den alten Herrn Lehrer.«
    »Das bin ich, und das da ist der Judenlehrer he he,« erwiderte der Mann mit der Hacke, auf seinen sabbathlich geputzten Nebenmann deutend.
    »Das ist mir lieb, daß ich Sie auch hier treffe. Haben wir uns nicht gestern gesprochen?«
    »Als Sie mit dem Schultheißen sprachen.«
    Der alte Mann warf die Hacke weg, that die Pfeife aus dem Munde, griff schnell nach seinem Rocke und wollte ihn anziehen; unser Freund aber verhinderte dieß.
    »Wir brauchen vor einander keine Umstände zu machen,« sagte er, »wir sind ja Collegen, ich bin der neue Lehrer. Gehört der Garten Ihnen eigen?«
    »He he, wem denn? Ja,« erwiderte der Alte; alle seine Reden waren mit einem aus tiefer Brust geholten Lachen begleitet. »Grüß Gott in Nordstetten,« setzte er hinzu und reichte dem Angekommenen die Hand; diesem war es, als ob er die eiserne Hand Berlichingens fasse, so hart war sie anzufühlen.
    Der jüdische Lehrer stand in Verlegenheit da, seine gefalteten Hände auf einander reibend. Er wußte nicht, sollte er dem Angekommenen die Hand reichen oder nicht. Er fürchtete zudringlich zu erscheinen, da man ihn nicht aufgesucht hatte; sodann fühlte er sich auch durch diese Nichtbeachtung beleidigt, er glaubte sich durch Zuvorkommenheit etwas zu vergeben.
    Diese beiden Gefühle – Furcht vor Zudringlichkeit und Mißachtung auf der einen, und vor zu weit getriebener Empfindlichkeit auf der andern Seite – das sind die beiden Schächer, zwischen denen der Jude im gesellschaftlichen Leben gekreuzigt ist; sie bleiben es so lange, als seine Stellung in der menschlichen Gesellschaft keine gesicherte und vor Mißdeutungen geschützte ist.
    Wie alle gebildeten Juden aus der älteren Generation hatte der jüdische Lehrer die Sätze der Schrift genau inne, er gedachte der Bibelstelle: »Liebet den Fremden, denn ihr wäret selbst Fremde im Lande Aegypten« und »betrübe den Fremden nicht, denn du weißt wie es ihm zu Muthe ist.« Er gedachte der Freude, die ihm vor

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