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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wiederum begann:
    »Herr Lehrer, was haltet Ihr von den Thierquälervereinen? Kann man mir befehlen, wie ich mit meinem Eigenthume umzugehen hab'? Darf man mich dafür strafen?«
    Der Lehrer sah hierin wiederum nichts als die Rohheit dieser Menschen; mit großem Eifer vertheidigte er daher die Polizeimaßregeln wegen Mißhandlung der Thiere; der Buchmaier aber entgegnete:
    »In der Stadt, da kann's meinetwegen nöthig sein, daß man die Leut' ermahnt, das Vieh zu schonen, aber strafen kann man's nicht. So ein Kutscher oder Kutschersknecht, oder so ein Livreebeamter, ich will sagen Livreebedienter, der hat kein' rechte Lieb' zum Vieh, es ist oft gar nicht einmal sein eigen, und davon, daß er's aufgezogen hat, ist gar nicht zu reden. Bei uns aber, ich hab' schon gesehen, daß die Leut' mehr heulen, wenn ihnen ein Rind draufgeht, als wenn ihnen ein Kind stirbt.«
    »Die Herren sollten zuerst die Bauern besser behandeln,« sagte Mathes. »Der alt' Amtmann, der hat seinem Hund die besten Wörtle geben und die Bauern nur so angeschnauzt; sie sollten zuerst einen Verein stiften, daß Keiner mehr Er zu einem Bauern sagt.«
    »Ja,« sagte der Buchmaier, »die Hauptsach' ist, die Amtleut' wollen jetzt gern auch über das Vieh regieren. Ihr werdet sehen, wenn's so fort geht, wird man über zehn Jahr' Einem befehlen, was er auf seinem Acker säen darf und wann er ihn brach legen muß; man kann ja auch seine Aecker quälen und kann ihnen zu viel zumuthen.«
    »Wenn die Menschen nicht so vernünftig sind,« sagte der Lehrer, »das gehörige Maaß in allen Dingen zu halten, so ist der Staat verpflichtet, das Gute durch Strafen einzuführen.«
    »Nein und neun und neunzigmal nein!« rief der Buchmaier, hielt aber plötzlich inne; sei es, daß er seiner Heftigkeit den Zügel halten wollte, oder daß er in der That nichts vorzubringen wußte. Er trank in langsamen Zügen, während dessen ein Mann mit gerollten, weißen und schwarzen Haaren, so was man Kümmel und Salz nennt, auf hochdeutsch sagte:
    »Man kann die Menschen dafür strafen, wenn sie schlecht handeln, aber man kann sie nicht zwingen, gut zu sein; eine durch's Gesetz erzwungene Güte ist auch keine Güte mehr.«
    »Hat Recht,« sagte der Buchmaier auf die Worte des Mannes, dessen Rede trotz des Hochdeutschen in dem singenden Tone des jüdischen Dialekts gesprochen war. Der Lehrer aber ging nicht darauf ein. Es ist nicht wahrscheinlich, daß er, wie die gelehrten Herren pflegen, auf die Gegenrede eines Juden that, als ob sie gar nicht vorgebracht worden wäre; vielmehr betrachtete er nur den Buchmaier als seinen Gegner, er fragte diesen:
    »Glauben Sie, daß der Staat ein Recht hat, die Leute durch Strafen zu zwingen, ihre Kinder in die Schule zu schicken?«
    »Freilich, freilich.«
    »Ja warum denn?«
    »Weil das in der Ordnung ist.«
    »Ja man hat doch aber kein Recht die Leute zu zwingen, daß sie gut seien.«
    »Man kann's aber strafen, wenn sie schlecht sind, und wer sein Kind nicht in die Schul' schickt, der handelt schlecht. Ist's nicht so?« schloß der Buchmaier zu dem gewendet, der vorhin das Wort für ihn ergriffen hatte.
    »Gewiß,« erwiederte dieser. »Der Staat ist der Vormund derer, die nicht selber für sich sorgen und sich nicht wehren können. Wie er die Pflicht hat, sich um ein Kind anzunehmen, wenn ihm die Eltern sterben, und so durch den Tod nicht mehr für dasselbe sorgen können, so muß er auch solche, die durch Dummheit oder Schlechtigkeit ihre Kinder vernachlässigen, durch Strafen zu ihrer Pflicht zwingen.«
    »Hat Recht, hat rechtschaffen Recht,« sagte der Buchmaier triumphirend.
    Ohne sich an den, wie ihm schien, unberufenen Redner zu wenden, doch auch ohne ihn zu vermeiden, sagte der Lehrer:
    »Wenn der Staat der Vormund der Unmündigen ist, derer, die sich nicht selber helfen und wehren können, so hat er auch die Herrschaft über das Vieh, das in gleichem Falle ist wie die Kinder.«
    »Aepfelstiel und Birenschnitz, wie kommen die Rüben in den Sack? Das ist gar kein Vergleich,« sagte der Buchmaier lachend. »Herr Lehrer, nichts für ungut, aber da habt Ihr euch vergaloppirt. Ich hab' zu Haus ein Waisenrind, das arme Thierle hat kein Vater und kein' Mutter mehr, ich muß bigott morgen den Gemeinderath zusammenkommen lassen, man soll ihm einen Vormund setzen.«
    Ein schallendes Gelächter erdröhnte in der ganzen Stube. Der Lehrer gab sich alle Mühe, seine Ansicht näher zu begründen, aber er konnte nicht mehr zu einer ordentlichen

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