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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Jahren ein freundliches Entgegenkommen bereitet hatte. So stand er nun da, seine Lippen bewegten sich still, alle seine Gesichtsmuskeln zuckten. Er trat endlich auf den Angekommenen zu, reichte ihm die Hand und hieß ihn mit besonderer Herzlichkeit willkommen. Der Fremde sagte:
    »Sie können mir gewiß viel Anleitung geben, meine Herren, über mein Verhalten dahier; ich bin hier so ganz fremd.«
    »Ich kann mir das noch recht gut denken,« nahm der jüdische Lehrer das Wort, »ich war auch bloß auf Verfügung des Consistoriums hieher gekommen und kannte keinen Menschen. Ich wünschte mir oft, ich hätte eine Zeit lang
incognito
da bleiben können, um die Charaktere der Eltern genau zu beobachten, und ohne die Eltern wissen Sie wohl, ist auch bei den Kindern nichts auszuführen. Bei mir war noch der besondere Umstand, daß ich vor fünf und zwanzig Jahren zum erstenmale eine geordnete Schule einzurichten hatte, was die Juden damals noch gar nicht kannten. Ich kam mir in der ersten Zeit vor, als wär' ich in eine fremde Welt verzaubert.«
    »Nun, du hast dich bald verzaubern lassen und hast das schönst' Mädle aus dem Ort geheirathet, he he, und das war auch recht,« erwiderte der alte Mann. Zu unserm Freunde gewendet fuhr er fort: »Ihr müsset halt auch ein Mädle aus dem Ort heirathen.«
    Unser Freund fuhr so bestürzt zurück, daß er in ein wohlgeglättetes Beet trat; es war ihm, als hätte sich Alles gegen ihn verschworen, um ihn zu verkuppeln. Nachdem er sich über die angerichtete Zerstörung entschuldigt, sagte er:
    »Ich meine nur über mein Verhältniß zu den Eltern und den Kindern.«
    »Nur recht streng,« sagte der Alte, die zertretene Stelle wieder aufhäckelnd. »Von dem neuen Schulwesen versteh' ich nichts, da fragt man die Kinder: wer hat den Stuhl gemacht? als wenn man das nicht schon von selber wüßt'; da lautiren sie b.k.l.m. wie die Stummen, es gibt gar kein ABC mehr.«
    »Sie meinen also recht streng?« erwiderte ablenkend unser Freund.
    »Ja. Wie die Mannen im Dorf 'rumlaufen, ist keiner da, der es nicht aus dem Salz von mir kriegt hat, und sag' du, ob sie nicht noch heutigen Tags allen Respekt vor mir haben?«
    »Ganz gewiß,« sagte der jüdische Lehrer lächelnd. Der Alte fuhr fort:
    »Und wenn eine Lustbarkeit im Dorf ist, da darf man nicht den vornehmen Herrn spielen, der sich's eine Weile so anguckt, wie das dumme Volk auch lustig sein kann; nein, da muß man auch mitthun. Kreuz Himmel! Ich hab' die tollsten Streich' mitgemacht, den Balbiererstanz, den haben sie von mir gelernt, und den Siebensprung den hab' ich mit meiner Gret immer vorgetanzt; es juckt mir noch in den Beinen, wenn ich daran denk'.«
    »Sie waren aus der Gegend, Sie konnten schon eher so etwas mitmachen.«
    »Ich bin nicht aus der Gegend. Anno fünf ist hier erst Württembergisch geworden, damals war Alles vorderösterreichisch. Ich bin bei Freiburg daheim.«
    »Sie haben wohl viel erlebt?«
    »Das will ich meinen. Die Leut', die jetzt dreißig Jahr alt sind, die wissen gar nichts von der Welt, da geht Alles glattweg, wie auf der Kegelbahn. So ein Lehrer, ich mein' euch nicht mit, aber was weiß denn jetzt so einer? Wo ist er in der Welt gewesen? In den Büchern ist er gesteckt. Da geht jetzt Alles seinen geweis'ten Weg, eins zwei drei, Schüler Seminarist Lehrer. Ich war Soldat, ich war Musikant, ich war Schreiber auf dem Amt in vielerlei Herren Länder. Ich hab' Russen und Franzosen und Sachsen und alles Teufelszeug mit durchgemacht. Ich hab' hier im Ort ein Buch angefangen gehabt und mit der schönsten Fraktur, und denket nur einmal, grad wie ich beim F bin, kommen die Teufelsfranzosen; da war's aus, die haben Fraktur mit Einem gesprochen.«
    Nun erzählte der Alte, auf die Haue gestützt, seine zwei Hauptgeschichten; wie er nämlich einen Topf mit zweihundert Gulden im Keller vergraben hatte, den die Franzosen doch fanden, wie er im grimmkalten Winter den Pfarrer nach Egelsthal begleitete, um einer alten Frau die letzte Oelung zu geben, unterwegs ihnen ein Kosake begegnete und dem Lehrer die fuchspelzenen Handschuhe auszog. Er war eben an einer ausführlichen Beschreibung der Handschuhe, als es eilf Uhr läutete: man verließ den Garten.
    Unser Freund ging noch im Geleite seines jüdischen Amtsgenossen bis zum Adler, dort hatte er sich zur Kost eingedungen.
    Am andern Morgen erwarb sich der Lehrer viel Lob durch sein Orgelspiel. Aus einzelnen Gruppen, die sich nach der Kirche gebildet hatten, hörte er mehrmals

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