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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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zu schauen. Alles auf Erden und zumal das höhere Geistesleben muß zuerst Zweck für sich –«
    Der Alte schlug sich mit großer Gemüthsruhe Feuer, unser Freund hielt mitten in einer Auseinandersetzung inne, die ihm erst seit Kurzem aufgegangen war. Eine Weile schritten die Beiden wortlos neben einander, dann fragte der Jüngere wieder:
    »Nicht wahr, aber Musik macht Ihr immer gern?«
    »Das will ich meinen, da sitz' ich oft halbe Nächt' und feile, da brauch' ich kein Licht, verderb' mir die Augen nicht, hab' Unterhaltung und brauch' keinen Menschen dazu.«
    »Und Ihr vervollkommnet Euch darin, so weit Ihr könnt?«
    »Warum nicht? Gewiß.«
    »Ihr habt doch aber auch keinen Nutzen davon,« sagte der junge Mann. Der Alte schaute ihn verwundert an; jener aber fuhr fort: »Wie Euch die Musik und Eure Ausbildung darin Freude bereitet, ohne daß Ihr einen Nutzen davon wollt, so könnte und sollte es wohl auch mit dem Lesen und der Geistesbildung sein; aber es geht hiemit oft gerade so wie vielen Leuten, die sich nicht mehr mit der gehörigen Sorgfalt kleiden, weil sie Niemanden haben, auf dessen Gefallen sie ein besonderes Gewicht legen. Ich hörte vorgestern, wie ein junger Bursche einer jungen Frau über ihren nachlässigen Anzug Vorwürfe machte. ›Ei,‹ sagte sie, ›was liegt jetzt da dran? Ich bin jetzt schon verkauft, der Mein' muß mich halt haben, wie ich bin.‹ Als ob man sich eines äußern Zweckes, nur Anderer wegen sorgfältig kleide, und nicht weil es die eigene Natur, die Selbstachtung verlangt. So geht es auch Vielen mit der Geistesbildung; weil sie solche bloß des äußern Zweckes wegen betrieben, lassen sie davon ab, sobald der nächste Zweck erreicht oder nicht mehr da ist. Wer aber seine geistige Natur, seinen geistigen Leib, wenn ich so sagen kann, achtet und schätzt, wird ihn immer schön und rein erhalten und ihm stets mehr Kraft zu geben suchen.«
    Der junge Mann erkannte erst jetzt, daß er eigentlich ein lautes Selbstgespräch gehalten hatte; er fürchtete indeß nicht, den Alten beleidigt zu haben, denn er sah dessen vollkommene Gleichgültigkeit. Mit schwerem Herzen erkannte er von Neuem, wie mühevoll es sei, die höheren allgemeinen Gedanken und Anschauungen an Mann für Mann zu verzapfen. »Wenn der alte Lehrer so harthäutig ist, wie wird es dir erst bei den Bauern gehen,« dachte er. So schritten sie eine stille Weile dahin, bis der Jüngere wieder begann:
    »Meinet Ihr nicht auch, daß man in unserer Zeit viel frommer, oder wenigstens grad so fromm ist, als in der alten Zeit?«
    »Frommer? In's Teufels Namen, man war in der alten Zeit auch nicht letz, 5 aber man hat nicht so viel Aufhebens, so viel Geschmus 6 davon gemacht; z'litzel und z'viel verdirbt alle Spiel', he he.«
    Wieder war Stille.
    Endlich fand der junge Mann den rechten Gegenstand, indem er fragte:
    »Wie war's denn in früheren Zeiten mit der Musik?«
    Da lebte der Alte ganz auf, er hielt Zunder und Stahl in der Hand, ohne sich Feuer zu schlagen, denn er sagte:
    »Das ist heutigen Tages nur noch ein Gedudel. Ich war dritthalb Jahr' Unterorganist im Münster zu Freiburg, Herr! Das ist eine Orgel, ich hab' den Abt Vogler drauf gehört, im Himmel kann's nicht schöner sein als der gespielt hat. Hernach hab' ich auch auf mancher Kirchweih aufgespielt. Früher hat man meist Geigen gehabt, auch eine Harf' und ein Hackbrett, jetzt haben sie nichts als Blasinstrumente: große Trompeten, kleine Trompeten, Klappentrompeten, Alles nichts als Wind und viel Geschrei. Und was verdient jetzt so ein Musikant bei einer Kirchweih? Vor Zeiten waren drei Mann vollauf, jetzt müssen's sechs, sieben sein; sonst waren kleine Stuben, kleiner Baß und groß Geld, jetzt – große Stuben, großer Baß und klein Geld. Ich bin einmal mit zwei Kameraden im Schappacherthal 'rumzogen, da sind uns die Federnthaler von allen Seiten zugeflogen. Einmal haben sich zwei Orte schier todtgeschlagen, weil mich ein jedes hat zur Kirchweih haben wollen.«
    Nun erzählte der Alte eine seiner Hauptgeschichten, wie ihn nämlich ein Ort wegen seines guten Geigenspiels als Lehrer angenommen, die Regierung aber einen Andern mit Dragonern einsetzen wollte, wie das ganze Dorf revoltirte, so daß es am Ende doch bei seiner Bestallung blieb.
    »Hat denn Euer Ansehen als Lehrer nicht darunter gelitten, wenn Ihr auf den Kirchweihen spieltet?« fragte der junge Mann.
    »Im Gegentheil, ich hab' hier im Ort mehr als fünfzigmal gespielt und Ihr werdet Keinen sehen, der

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