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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wendete ihre Hände schnell nach vornen.
    Der Lehrer getraute sich nicht, mit ihr zu ringen und so sprang er noch mehrmals vor- und rückwärts, bis er zuletzt stolperte und vor Hedwig niederfiel; sein Haupt lag in ihrem Schooße auf ihrer Hand, schnell besonnen drückte er einen heißen Kuß auf diese Hand und nannte sie im Geiste sein. So blieb er eine Weile, ohne sich zu erheben, bis endlich Hedwig mit beiden Händen seine Wangen bedeckend ihn emporhob; verworren um sich schauend sagte sie:
    »Stehet auf, Ihr habt Euch doch nichts gethan? Gucket, das kommt von denen Späß'; Ihr müsset Euch nur von meinem Vetter da nichts anlernen lassen.«
    Der Lehrer stand auf und Hedwig bückte sich schnell nieder, um ihm mit der innern Seite ihrer Schürze die beschmutzten Knie zu reinigen; der Lehrer aber duldete das nicht, sein Herz pochte schnell, da er diese demuthvolle Bescheidenheit sah. Bald stand er wieder gesäubert da und sagte Hedwig abermals gute Nacht; sie blickte zur Erde, weigerte ihm aber ihre Hand nicht mehr.
    Schwebenden Ganges ging der Lehrer dahin, es war als ob er den Boden kaum berührte, als ob eine höhere Macht ihn trüge; ein unnennbares Kraftgefühl durchströmte sein innerstes Mark, ihm war so leicht und frei, alle Leute schauten ihn verwundert an, denn er lächelte ihnen ganz offen zu. –
    So schnellem Wechsel ist aber ein Menschengemüth hingegeben, daß bald nach dem ersten Jubel der Lehrer in trüber Selbstanklage zu Hause saß: »Du hast dich von einer Leidenschaft zu schnell hinreißen lassen,« sagte er sich. »Ist das die Festigkeit? An ein ungebildetes Bauermädchen hast du dich hingegeben, weggeworfen. – Nein, nein, aus diesem Antlitze spricht die Majestät einer zarten, sanften Seele.« Noch mancherlei Gedanken stiegen in ihm auf, er kannte jetzt das Bauerleben, und noch spät schrieb er in sein Taschenbuch: »Das silberne Kreuz auf ihrem Busen ist mir ein schönes Sinnbild der Heiligkeit, Unnahbarkeit und Unberührtheit.«
    Hedwig aber hatte zu Hause keinen Bissen zu Nacht gegessen, ihre Leute zankten, sie habe zu viel geschafft, sie habe gewiß noch dem Lehrer in der Gartenarbeit geholfen; sie verneinte und machte sich bald zu ihrer Großmutter, mit der sie in einem Zimmer schlief.
    Noch lange nach dem Nachtgebet sagte sie, als sie die Großmutter husten hörte und nun wußte, daß sie auch noch wach sei:
    »Ahne, was hat denn das zu bedeuten, ein Kuß auf die Hand?«
    »Daß man die Hand gern hat.«
    »Weiter nichts?«
    »Nein.«
    Wieder nach einer Weile sagte Hedwig: »Ahne.«
    »Wasele?« 4
    »Ich hab' was fragen wollen, ich weiß aber nimmer.«
    »Nun, so schlaf jetzt, du bist müd, wenn's was Gut's ist, wird's morgen früh auch nicht zu spät sein; es wird dir schon einfallen.«
    Hedwig wälzte sich aber schlaflos im Bett umher. Sie überredete sich, daß sie nicht schlafen könne, weil sie den Hunger übergangen habe; sie wirkte nun mit aller Gewalt ein Stück Brod hinab, das sie für alle Gefahren bereit gehalten hatte.
    Der Lehrer war indeß auch mit sich in's Reine gekommen. Anfangs hatte er sich vorgenommen, sich selber und seine Neigung zu prüfen, eine Zeit lang Hedwig gar nicht mehr zu sehen; endlich aber gelangte er doch zu dem weiseren und erfreulicheren Entschlusse, Hedwig im Gegentheil recht oft zu sehen und ihre Geistesbildung auf allerlei Weise zu prüfen.
    Andern Tages ging er nun zu seinem alten Collegen und forderte ihn zum Spazirgange auf; er sah es wohl, schon um Hedwigs willen mußte er hier in ein näheres Verhältniß treten. Der alte Mann ging eigentlich nie spaziren, die Gartenarbeit verschaffte ihm Bewegung genug; die Einladung unseres Freundes erschien ihm jedoch als Ehrenbezeigung und er ging mit.
    Es war auffallend, wie wenig Gesprächsstoffe bei dem alten Manne Feuer fingen; sie waren immer wieder eben so schnell aus als seine Pfeife, für die er aller fünf Minuten Feuer schlug. Von Hedwig wollte der junge Mann nicht unmittelbar sprechen, aus den Bestrebungen des Alten selber wollte er schon Manches schließen.
    »Leset Ihr auch bisweilen noch Etwas?« fragte er daher.
    »Nein, fast gar nichts, es kommt mir auch doch nichts dabei heraus; wenn ich auch alle Bücher auswendig könnte, was hätt' ich davon? Ich bin pensionirt.«
    »Ja,« erwiderte der junge Mann, »man vervollkommnet seinen Geist doch nicht bloß um des äußern Nutzens willen, den man daraus ziehen mag, sondern um ein erhöhtes, inneres Leben zu gewinnen, um immer tiefer und klarer

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