Schwarzwaelder Dorfgeschichten
von der Hecke, die er am ersten Mittage seines Hierseins gezeichnet, ihm Hedwig jetzt die reife Frucht brachte.
Hedwig kam bald wieder aus dem Hause, die weiße Henne folgte ihr auf dem Fuße.
»Wohin so schnell wieder, Jungfer Hedwig?« fragte der Lehrer, »wollt Ihr euch nicht ein wenig zu uns setzen?«
»Ich dank schön, ich will noch bis zum Nachtessen ein bisle 'nüber zum alten Lehrer.« 3
»Wenn's erlaubt ist, begleit' ich Euch,« sagte unser Freund und ohne eine Antwort abzuwarten ging er mit.
»Kommet Ihr oft zum alten Lehrer?«
»Freilich, er ist ja mein Vetter, sein Weib ist die Schwester von meiner Ahne gewesen.«
»So, das freut mich herzlich.«
»Warum? Habt ihr mein Bas' gekannt?«
»Nein, ich mein' nur so.«
Man war an dem Garten des alten Lehrers angelangt, Hedwig schloß schnell die Gartenthüre hinter sich und ließ die Henne draußen, die wie eine Schildwache hier harrte.
»Wie kommt's,« fragte der Lehrer, »daß Euch das Huhn so nachläuft? Das ist ja etwas ganz Seltenes.«
Hedwig stand verlegen da und zupfte an ihren Kleidern.
»Dürfet Ihr mir's nicht sagen?« fragte der Lehrer wieder.
»Ja, ich darf, ich kann, aber – Ihr dürfet mich nicht auslachen und müsset mir versprechen, daß Ihr's nicht weiter saget; sie thäten mich sonst foppen.«
Der Lehrer faßte schnell die Hand des Mädchens und sagte: »Ich versprech's Euch hoch und heilig.« Er ließ die Hand nicht mehr los, und verlegen zur Erde schauend, sagte das Mädchen:
»Ich, ich hab', ich hab' das Hühnle an meiner Brust ausgebrütet; die Gluckhenn' ist verscheucht worden und da hat sie die Eier liegen lassen und wie ich das einzig Ei'le gegen das Licht gehalten hab', hab' ich gesehen, daß schon ein Köpfle drin ist, und da hab' ich's halt zu mir genommen ... Ihr müsset mich nicht auslachen, aber wie das Hühnle 'rauskommen ist, da hab' ich mich vor Freud' gar nicht zu halten gewußt; ich hab' ihm ein Federbettle gemacht, hab' ihm Brod gekaut und hab's geäzt, und es ist schon an: andern Tag auf dem Tisch 'rumgelaufen. Es weiß Niemand was davon als mein' Ahne. Da ist mir jetzt das Hühnle so treu, wenn ich in's Feld' geh', muß ich's einsperren, daß es mir nicht nachlauft. Geltet, ihr lachet mich nicht aus?«
»Gewiß nicht,« sagte der Lehrer, und ging noch eine Strecke Hand in Hand mit Hedwig, dann aber verwünschte er die Ordnungsliebe und Sparsamkeit des alten Lehrers, der den fernern Weg so eng gemacht hatte, daß nicht zwei neben einander gehen konnten.
Unser Freund war sehr erzürnt, als der alte Schullehrer mit ungewöhnlich schnellem Lachen den beiden Ankommenden zurief:
»Kennet Ihr schon einander? Hab' ich dir's nicht schon lang gesagt, Hedwig, du mußt einen Schullehrer kriegen?«
Dieses unzeitige Anfassen einer kaum knospenden Blüthe that unserm Freunde in tiefster Seele weh, doch er bemeisterte seine Empfindlichkeit und schwieg; er staunte aber, daß Hedwig, als ob nichts gesagt worden wäre, begann:
»Vetter, Ihr müsset morgen Eure Sommergerste in den Holzschlägeläckern schneiden, sie ist überzeitig und fällt sonst ganz um.«
Es wurde wenig gesprochen, Hedwig schien sehr müde, sie setzte sich auf die Bank vor einem Baume. Die beiden Lehrer sprachen nun mit einander, aber unser junger Freund sah das Mädchen dabei immer so durchdringend an, daß es sich mehrmals mit der Schürze über das Gesicht fuhr: es meinte, es müsse in der Küche, als es die Kartoffeln an's Feuer gestellt hatte, sich rußig gemacht haben. Unser Freund hatte aber ganz andere Dinge zu bemerken. Es fiel ihm jetzt zum erstenmale auf, daß Hedwig mit dem linken Auge ein wenig schielte; dieß war aber keineswegs unangenehm, vielmehr gab es dem Ausdrucke etwas Weiches und Scheues, was zu der übrigen Bildung des Gesichtes wohl paßte: die feine schlanke Nase, der überaus kleine Mund mit den kirschrothen Lippen, die runden, zartrothen Wangen – die Blicke des jungen Mannes ruhten mit Wohlgefallen darauf. Endlich, da er seinem Collegen mehrere verkehrte Antworten gegeben hatte, merkte er daß es Zeit zum Gehen sei; er verabschiedete sich, und Hedwig sagte:
»Gut' Nacht, Herr Lehrer.«
»Erhalte ich nicht auch noch eine Gutnachthand?«
Hedwig versteckte schnell beide Hände hinter dem Rücken.
»Bei uns fragt man nicht, bei uns nimmt man sich die Hand, he, he,« sagte der alte Lehrer.
Unser Freund ließ sich diese Weisung nicht zweimal geben, er sprang hinter den Baum, um die Hand Hedwigs zu fassen, diese aber
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