Schwarzwaelder Dorfgeschichten
pfeifen hörte, er schreckte ein wenig zusammen, denn er war noch nicht frei von Empfindlichkeit und war geneigt, dieß für Spott zu halten; bald aber sagte er sich wieder: der Mann denkt gewiß nichts Arges dabei – und darin hatte er Recht, denn der Buchmaier dachte nicht nur nichts Arges, sondern gar nichts dabei, die lustige Weise war ihm eben so in den Mund gekommen.
In einer Feldschlucht, wo er sich zuerst umgesehen, ob ihn Niemand bemerke, schrieb der Lehrer in sein Taschenbuch:
»Die stetige und fast unbewegliche Macht des Volksthums, des Volksgeistes, ist eine heilige Naturmacht; sie bildet den Schwerpunkt des Erdenlebens, und ich möchte wiederum sagen, die
vis inertiae
im Leben der Menschheit.
Welchen unglückseligen Schwankungen wäre die Menschheit hingegeben, wenn alsbald jede sittliche, religiöse und wirthschaftliche Bewegung die der Gesammtheit würde! Erst was die Schwankung verloren, erst was Stetigkeit, ich will sagen was ruhige Bewegung geworden, kann hier einmünden; hier ist das große Weltmeer, das sich in sich bewegt ....
Ich will das Leben und die Denkweisen dieser Menschen heilig achten, aber ich will es versuchen ...«
Was der Lehrer versuchen wollte, war hier nicht ausgedrückt, aber er hatte auf glückliche Weise an manchen Enden des Dorflebens angeknüpft.
Hedwig sprach er mehrere Tage nicht, er sah sie wohl einigemal als er bei der Großmutter war, aber sie schien sehr beschäftigt und huschte nur immer mit kurzen Reden vorbei, ja, sie schien ihm fast auszuweichen; er wartete in Geduld eine Zeit der Ruhe ab.
Wohl bewegte die Liebe zu dem Mädchen mächtig sein Herz, aber auch die ganze Welt des Volksthums, die sich ihm aufschloß, schwellte ihm die Brust. Er ging oft wie traumwandelnd umher, und doch hatte er noch nie so sicher und fest im Leben gestanden als eben jetzt.
Manche Trübsal und Störung erfuhr auch der Lehrer durch den Studentle. Dieser war begierig zu erfahren, was der Lehrer mit seiner Großmutter zu »basen« habe; er gesellte sich daher mehrmals zu den Beiden. Wenn ein tieferer Gemüthston angeschlagen wurde, fuhr er mit lustigen Spöttereien drein.
Als der Lehrer fragte: »Großmutter, gehet Ihr gar nie in die Kirche?« erwiderte der Studentle schnell: »Ja, Großmutter, Euch gedenkt's vielleicht noch, wer die Kirch' gebaut hat; der Herr Lehrer möcht's gern wissen, er will aber doch die Kirch' im Dorf lassen.«
»Sei still du,« entgegnete die Großmutter, »wenn du was nutz wärst, wärst du jetzt Meister in der Kirch' und wärst Pfarrer.« Zu dem Lehrer gewendet fuhr sie fort: »Schon seit fünf Jahren bin ich nicht in der Kirch' gewesen, aber am Sonntag merk' ich schon daheim am Läuten, wenn das Heilig gezeigt wird und wann die Wandlung ist; da sag' ich dann die Litanei allein. Alle Jahr zweimal kommt der Pfarrer und gibt mir das Abendmahl; er ist gar ein herziger Mann, unser Pfarrer, er kommt auch sonst zu mir.«
»Meinet Ihr nicht Herr Lehrer,« begann der Studentle, »daß meine Großmutter eine Aebtissin
comme il faut
wäre?«
Die Großmutter schaute den Beiden verwundert in's Gesicht, da sie so fremde Worte über sich hörte, sie wußte nicht, was das zu bedeuten habe.
»Allerdings,« sagte der Lehrer, »aber ich glaube, daß sie auch eben so fromm sein und eben so selig werden kann.«
»Gucket Ihr's, Ahne,« sagte der Studentle frohlockend, »der Herr Lehrer sagt's auch, daß die Pfarrer kein Brösele mehr sind als andere Menschen.«
»Ist das wahr?« fragte die Alte betrübt.
»Ich meine so,« begann der Lehrer, »es können ja alle Menschen selig werden, aber ein echter Geistlicher, der fromm und gut ist und eifrig für das Seelenheil seiner Nebenmenschen sorgt, der hat eine höhere Stufe.«
»Das mein' ich auch,« sagte die Alte. Dem Lehrer stand der Angstschweiß auf der Stirne, der Studentle aber fragte wieder:
»Sind Ihr nicht auch der Meinung, Herr Lehrer, daß die Geistlichen heirathen sollten?«
»Es ist Kirchengesetz, daß sie nicht heirathen dürfen, und wer bei vollem Bewußtsein Geistlicher geworden ist, muß sein Gesetz halten.«
»Das mein' ich auch,« sagte die Alte mit großer Heftigkeit, »die wo heirathen wollen, das sind Fleischteufel, und man heißt's Geistlich und nicht Fleischlich. Ich will Euch was sagen, gebet dem da kein' Antwort mehr, lasset Euch Euer gut Gemüth nicht verderben, der hat heut wieder seinen gottlosen Tag, er ist aber nicht so schlecht, wie er sich stellt.«
Der Studentle sah, daß bei seiner
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