Schwarzwaelder Dorfgeschichten
redet, sollte man auch mit den Menschen reden.«
»Das kann ich halt nicht, und das will ich auch nicht. Gucket, Herr Lehrer, ich wüßt' ja gar nichts mehr zu schwätzen, wenn ich mich allemal besinnen müßt', wie ich schwätzen soll; ich thät mich vor mir selber schämen. Nein, Herr Lehrer, euer Wort auf ein seiden Kissen gelegt, aber das ist nichts.«
»Saget doch nicht immer Herr Lehrer, saget auch meinen Namen.«
»Das kann wieder nicht sein, das geht nicht.«
»Ja warum denn?«
»Es geht halt nicht.«
»Es muß doch einen Grund haben, warum?«
»Ei, ich weiß ja euern Namen nicht.«
»So? Ich heiße Adolph Lederer.«
»Also Herr Lederer, das ist fast gleich, Herr Lederer oder Herr Lehrer.«
»Nein, heißet mich Adolph.«
»Ach, machet jetzt keine so Sachen; was thäten denn die Leut' sagen?«
»Daß wir uns gern haben,« sagte der Lehrer, die Hand des Mädchens an sein Herz drückend, »habt Ihr mich denn nicht auch lieb?«
Hedwig bückte sich und brach eine Nelke. Da öffnete sich die Gartenthüre.
»Gott sei's getrommelt und gepfiffen, daß ich erlöst bin,« rief des Buchmaiers Agnes. »Guten Tag, Herr Lehrer! Hedwig sei froh, daß du nimmer in die Christenlehr' brauchst. Herr Lehrer, das solltet Ihr machen, daß so große Mädle nimmer drein müssen; freilich mich nutzt's wenig mehr, ich komm' schon nächsten Herbst draus.«
»Schenkt mir doch die Nelke,« sagte der Lehrer mit zart bittendem Tone zu Hedwig; sie gab ihm mit erröthendem Antlitze die Blume, und er drückte sie als Zeichen der Erwiderung seiner Liebe inbrünstig an seine Lippen.
»Du würdest schön ankommen,« sagte Agnes, »wenn der alte He he sehen thät, daß du eine Blum' abbrochen hast; 's ist gut; drinnen sitzt er beim Bäck und spielt den neuen Walzer. Den wollen wir aber auch rechtschaffen tanzen an der Kirchweih'. Ihr tanzet doch auch, Herr Lehrer?«
»Ein Wenig, aber ich hab' mich schon lange nicht geübt.«
»Probieren geht über Studiren, lalalalala,« trällerte Agnes im Garten umherhüpfend, »was machst du für ein Gesicht, Hedwig? Komm!« Sie riß Hedwig, die ihrer Gewalt nicht widerstehen konnte, ebenfalls mit sich fort; sie waren aber so ungeschickt, daß sie in ein Beet traten. Agnes lockerte singend den Boden wieder auf und sagte dann:
»Jetzt komm, mach fort, wir wollen aus dem Garten 'naus, wo man sich nicht regen kann; die andern Mädle sind alle schon draußen im Kirschenbusch und Er wartet gewiß schon lang auf uns.«
»Wer?« fragte der Lehrer.
»Ei er,« erwiderte Agnes, »wenn Ihr mit wollet, könnet Ihr ihn umsonst sehen; wir werden Euch doch nicht zu gering sein, daß Ihr mit uns gehet?«
Der Lehrer faßte die Hand der Agnes und sie festhaltend, gleich als hielte er die der Hedwig, ging er mit den Beiden in das Feld.
Draußen, wo der Weg nach dem Daberwasen geht, an der Hanfdarre saß ein kräftiger, wie eine Tanne grad und schlank gewachsener Mann; der Lehrer erkannte in ihm den Oberknecht des Buchmaiers, der, als er die drei so daher kommen sah, aufsprang und wie festgebannt stehen blieb; Trotz und Wehmuth sprach aus seinem ganzen Wesen; sein Antlitz erheiterte, seine Faust entballte sich aber, als Agnes fröhlich auf ihn zuschritt. Der Lehrer grüßte den Thaddä, so hieß der Oberknecht, mit besonderer Freundlichkeit. So schritten nun die beiden Paare vergnügt neben einander.
Um dem Thaddä seine Vertraulichkeit zu bezeigen, sprach der Lehrer viel von dem Fuchsen, und wie er sich in den Zug eingewöhne.
So war nun gekommen, was der Lehrer nie vermuthen mochte: er hatte ein Bauernmädchen zur Geliebten und einen Bauernknecht zum Kameraden.
Bald ging Thaddä mit Agnes voraus und der Lehrer mit Hedwig Hand in Hand hintendrein.
Unter traulichen Gesprächen schritt man des Weges dahin. Tief erfuhr es nun der Lehrer, daß man wohl viel miteinander sprechen kann, ohne grade Bücher gelesen zu haben.
Nicht weit von dem Katzenbrunnen, aus dem der Sage nach die Hebammen die Kinder holen, setzte man sich an einen Rain, und nun wurde gesungen. Der Lehrer erfreute sich inniglich an der schönen Altstimme Hedwigs, Thaddä begleitete den Gesang trefflich, und der Lehrer empfand es zu seiner großen Betrübniß, daß er so wenig von den Volksliedern kannte; bei seiner musikalischen Bildung faßte er indeß die einfachen Weisen schnell und begleitete sie in tiefem Baß. Mit strahlendem Antlitze nickte ihm Hedwig Beifall zu. Oft aber mußte er auch bei einer unerwarteten Wendung der Melodie, die
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