Schwarzwaelder Dorfgeschichten
sein und könnt' nicht schlafen.«
»Das weißt du schon Alles? Woher denn?«
»Woher?« sagte Hedwig, »ich denk' halt so, er macht sich so allerlei Gedanken, es geht mir auch oft so.«
»O du guter Hammel. Sei nur ruhig, ich thu ihm nichts an Leib und Leben; so ein Lehrer hält so viel Prüfungen sein ganz Leben, jetzt will ich auch einmal eine mit ihm halten, ich will sehen, ob er gescheit ist.«
»Das ist er.«
»Wenn er gut besteht, darf ich ihm einen Kuß geben?«
»Meinetwegen.«
»Mach jetzt kein' so Gesicht, ein' fröhliche Lieb' muß man haben und keine maunderige. Denk' nur, am Sonntag hat der Pfarrer gefragt: wie muß man Gott lieben? und da hab' ich frischweg gesagt: lustig, und da hat er geschmunzelt und hat ein Pris' genommen und hat gesagt: das ist recht – du weißt ja, wie er's macht, er sagt zu Allem, wenn's nicht ganz blitzdumm ist: das ist recht, aber nachher erklärt er's einem, und da kommt was ganz anders 'raus – da hat er eben gesagt: man muß Gott wie seinen Vater lieben, mit Ehrfurcht, und da hab' ich gesagt: man kann seinen Vater ja auch lustig lieben, da hat er wetterlich gelacht und hat sein' Dos' verkehrt aufgemacht, daß aller Tabak auf den Boden gefallen ist, und da haben wir alle zusammengelacht;
Alleweil e Bisle lustig
Und alleweil e Bisle froh,«
so schloß Agnes singend und zog Hedwig hinaus in den Garten, wo sie die ausgebreiteten Linnen in große Falten zusammenzog, um sie ins Haus zu tragen, indem sie dabei erklärte, daß das zu ihrer Aussteuer sei.
Am andern Abend, um die Zeit, da der Lehrer gewöhnlich kam, harrte Agnes vor dem Hause; aber alle ihre Plane von lustigen Neckereien verflogen, als sie bei der Erwähnung Hedwigs das schmerzliche Zucken in dem Antlitze des Lehrers sah und er ihr seinen Kummer dann treuherzig erzählte. Sie erklärte ihm nun die Parteiungen in der Gemeinde: der Studentle, als Schwiegersohn des ehemaligen unteroffizierlichen Schultheißen, gehörte natürlich zu dessen Partei, die jeden mit dem Buchmaier Vertrauten als offenen Feind ansah; dazu kam, daß der Studentle voll Gift und Galle war, weil auf Betreiben des Buchmaiers der Mathes statt seiner in den Bürgerausschuß gekommen war.
»Es ist ein Kreuz,« schloß Agnes die Auseinandersetzung der Dorfpolitik, »ich hab' mir's so schön ausdenkt, daß wir bei der Kirchweih mit einander auf den Tanz gehen. Wartet aber nur, der Studentle ist mir nicht studirt genug, und der Thaddä muß auch mithelfen und rathen.«
Der Lehrer verbat sich dieß, Agnes sah ihn groß an, versprach ihm aber doch, er solle Sonntags Hedwig bei ihr sehen; sie wolle sich krank stellen und ihnen zu Gefallen beim schönsten Wetter nicht ausgehen.
In sein Taschenbuch schrieb der Lehrer noch spät am Abend: »Wie leicht ist es, sich rein im Gebiete des Geistes zu halten, sich da eine Welt und einen Himmel aufzubauen; kaum aber nähert man sich dem wirklichen Leben, wird man hineingerissen in den Strudel der Tageszwiste, der grollenden widerstrebenden Strömungen. Ich wollte mich hineinbegeben in das einige Leben dieses Dorfes, nun stehe ich mitten in der Parteiung, meine tiefsten Herzensneigungen werden mit hinein verschlungen.« –
Agnes hielt Wort. Die geheime Zusammenkunft der beiden Liebenden erschloß ihre Herzen um so schneller und rückhaltsloser. Da war an kein Widerstreben mehr zu denken, man hatte sich ja verborgen gesucht und gefunden.
Nach dem ersten Austausch der beiderseitigen Betrübniß erwachte in Hedwig der frische Lebensmuth wieder schneller als in dem Lehrer.
»Ist es denn wahr,« fragte sie, »daß Ihr von Lauterbach seid?«
»Allerdings.«
»Ja, warum habt Ihr's denn verläugnen wollen? Das ist ja kein' Schand'!«
»Ich hab' es nie verläugnet.«
»Es ist doch grausam, wie die Leut' lügen können. Da haben sie hier ausgesprengt, Ihr wäret deßwegen so allein wie ein verscheucht' Hühnle 'rumgelaufen, weil Ihr gemeint hättet, man foppt Euch, weil Ihr von Lauterbach seid. Und wenn Ihr auch von Tripstrill wäret, Ihr wäret doch –«
»Nun? was wäre ich?«
»Ein lieber Mensch,« sagte Hedwig, ihm die Augen zuhaltend, er aber umfaßte, küßte und herzte sie und sagte dann endlich:
»Sei nur ruhig, du Liebe, Gute, es wird schon Alles noch gut gehen.«
Ohne sich aus seinen Armen zu erheben, sagte Hedwig doch:
»Ihr müsset nicht so sein.«
Der Lehrer aber küßte und herzte sie von Neuem, und sie sagte wieder:
»Nun, jetzt schwätzet auch, erzählet mir was; wie ist's
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