Schwarzwaelder Dorfgeschichten
trübe Verlassenheit und Vereinsamung hinausgestoßen zu werden, als müsse er sich an Jeden, wer er auch sei, fest anklammern.
Einst sah er Hedwig auf dem Felde schneiden, er eilte zu ihr, machte sich aber alsbald wieder fort; es war ihm eine unüberwindlich mißliche Empfindung, so allein arbeitslos unter den Emsigen dazustehen, und doch verstand er nichts von der Feldarbeit und wußte, wie ungeschickt er sich dabei anstellen würde. Die Hoheit Hedwigs erschien ihm nicht erniedrigt, vielmehr erhöhter durch ihre Arbeit. Im Weggehen sagte er vor sich hin: »Nur Hostien, nur Himmelsbrod sollte man aus der Frucht bereiten, deren Halme sie geschnitten.«
Bei der Großmutter saß er oft in Zerstreuung, und nur wenn sie von ihren Eltern und Großeltern erzählte, gewann sie seine volle Aufmerksamkeit; es that ihm so wohl, an diesem Familienbaume hinaufzuklettern in die Geschichte der Vorzeit. Der Großvater der Alten hatte den Türkenkrieg unter Prinz Eugen mitgefochten, und sie wußte noch gar viel von ihm zu erzählen. Manchmal auch sagte die Alte, jedoch ohne Klage, sie spüre es wohl, sie würde diesen Winter alle ihre Vorfahren wiedersehen. Er suchte ihr solche Gedanken auszureden, was ihm nicht schwer fiel; er suchte sie dahin zu bringen, daß sie von der Kindheit Hedwigs erzählte: wie sie in einem Glückshäutchen geboren ward, ihre Mutter aber bald darauf starb, wie Hedwig sich schon als kleines Kind grämte, daß ihre Puppe mit offenen Augen schlafen mußte und sie daher Nachts ihr mit Papierchen die Augen zuklebte. Wenn sie so sprach, da leuchtete das Auge des jungen Mannes und das der Alten von derselben Glorie, wie zwei nachbarliche Wellen, von demselben Mondstrahle durchglitzert.
Ueber Hedwig finden wir nichts im Taschenbuche, aber durch die Erinnerungen der Alten und andere Erfahrungen angeregt sind wohl folgende Worte:
»Man denkt sich wohl gern, man könnte mit einem Katechismus der gesunden Vernunft hinaustreten unter das Volk und es alsbald bekehren; hier aber ist überall heiliger Boden der Geschichte, wir müssen die Fußstapfen der Vergangenheit aufsuchen. Traurig, daß unsere Geschichte zerrissen und zerstückt ist ... wo anknüpfen? ...«
Bei dem Buchmaier war der Lehrer von nun an auch oft, er studirte eifrig die Landwirthschaft und erfreute sich an den kernigen Gedanken des Buchmaiers, trotz ihrer Derbheit; je heimischer er aber im Hause des Buchmaiers wurde, um so fremder schien er in dem Hause Johannesle's zu werden, er selber war noch wie zuvor, aber Hedwig wich ihm sichtbar aus und grüßte ihn im Vorbeigehen immer scheu und zaghaft.
Eines Abends kam Hedwig weinend zu Agnes und sagte:
»Denk' nur, mein Wilder will's nicht leiden.«
»Was denn?«
»Nun, daß der Lehrer zu mir geht. Mein Constantin hat gesagt, wenn ich mich noch einmal mit dem Lauterbacher sehen ließ', nachher schlag' er mich und ihn krumm und lahm; du weißt ja, er bosget, weil er mit deinem Vater so gut ist.«
»Das ist ein Kreuz. Was ist denn jetzt da zu machen?«
»Sag' dem Lehrer, wenn er kommt, er soll nicht bös sein und soll doch weniger in unser Haus kommen, ich könnt' nicht anders, ich darf nicht mit ihm reden. Ich thät mir nicht viel daraus machen, wenn mein Bruder auch grob wär', aber wenn er ihn beleidigen thät, und er ist's wohl im Stand, daß er ihm vor allen Leuten einen Disrespekt anthut, ich thät mich in den Tod 'nein grämen.«
»Laß jetzt das Trauern,« erwiderte Agnes, »ich sag' ihm doch von all dem kein Wörtle.«
»Warum?«
»Darum, o! du verliebte Dock! Meinst, ich bericht' ihm das, daß er nachher meint, man dürf' den Nordstetter Mädle nur so pfeifen, nachher kommen sie Einem nur so nachgesprungen?«
»Das glaubt er gewiß nicht.«
»Ich laß es aber nicht darauf ankommen, jetzt, ich bleib' dabei, ich sag' ihm gar nichts von dir; er muß mit mir davon anfangen. Laß mich nur machen, ich krieg' ihn schon dran. Huididä juh! Und wenn's dann so recht bei ihm pfupfert, will ich sagen: es kann sein, es läßt sich vielleicht möglich machen, ich will die Hedwig dazu überreden, daß ihr vielleicht am Sonntag bei mir zusammen kommet, ich will dann schon sehen, ob man die Biren schütteln kann und wie man mit ihm dran ist.«
»Ja, du kannst's machen, wie du willst, ich kann dich nicht zwingen, aber das bitt' ich mir aus, plagen darfst ihn nicht; Narr, er ist einer von denen Menschen, die sich über Alles so viel Gedanken machen, ich hab' das schon gemerkt, und da könnt' er betrübt
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