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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Gefallenen nicht gar zu zärtlich und weichherzig behandeln sollt. Wir kennen einander. Ich fürchte nicht, daß ihr allzugroße Sanftmut habt.«
    Ein Lächeln zuckte auf den Angesichtern der Versammelten, das aber die Andacht nicht niederdrückte, sondern eher hob. Der Pfarrer fuhr nach kurzem Innehalten fort:
    »Ihr müßt euch aber genau prüfen, ob ihr die Kraft in euch fühlt, diese Gefallenen liebevoll zu behandeln; denn ein Unglücklicher bedarf doppelter Liebe, und zwiefach gesegnet ist, der sie zu geben vermag. Der Herr erleuchte und erhebe euern Sinn und begnadige uns Alle, daß wir uns nicht in Sünde verirren. Amen.«
    Als die Kirche zu Ende war, drängte sich Alles mit ungewohnter Hast heraus. Viele reckten und streckten sich, als sie die Thüre hinter sich hatten; die Predigt hatte sie so gepackt, daß sie sich in allen Gliedern wie zerschlagen fühlten; es war ihnen schwül geworden, und sie holten jetzt wieder frei Athem.
    Allerlei Gruppen bildeten sich. Da und dort sprach man alsbald von verschiedenen Dingen, die Meisten von der Predigt und dem rechtschaffenen Pfarrer. Der Webermichel aber behauptete, er predige nicht genug aus Gottes Wort, und der Bäck, der, wenn seine Frau nicht dabei war, auch gern etwas drein redete, bemerkte gar pfiffig, er habe bald gemerkt, zu welchem Loch der Pfarrer hinaus wolle. Ein muthwilliger Bursche raubte einem Mädchen den Strauß von Gelbveigelein und Rosmarin vom Busen, schrie dabei: »Hülfe! Hülfe!« und rannte mit der Beute davon.
    Sonst aber hallten in den meisten Gemüthern noch die vernommenen Worte nach.
    Konrad, der Adlerwirth, ging still dahin und redete kein Wort; er hielt auf dem ganzen Wege den Hut in der Hand, als wäre er noch in der Kirche. Bärbele war ihrem Manne vorausgeeilt, um den Mittagstisch herzurichten. An einem andern Sonntage wäre es nicht ohne Hallo abgegangen, wenn wie heute das Essen nicht gleich nach der Kirche fertig gewesen. Jetzt aber legte Bärbele, ohne ein Wort zu sagen, Gesangbuch und Rosenkranz auf den Fenstersims (denn man braucht beides heute Mittag nochmals), zieht seinen Mutzen (Jacke) aus und hilft der Magd ohne ein »Schelterle« das Essen fertig machen.
    Man saß endlich wohlgemuth bei Tische, und es schmeckte Allen wohl, denn wenn ein reiner Gedanke durch die Seele gezogen, ist es, als ob der ganze Mensch wie mit frischem Leben durchströmt wäre; jede Speise, die er zum Munde führt, ist wie gesegnet, man ist mit Allem froh und zufrieden. Wo ein guter Geist mit zu Tische sitzt und in den Menschen lebt, da wandelt er das Wasser des Alltagslebens in duftenden Festwein.
    In wie viel tausend Kirchen wird allsonntäglich mit hochgezwängter Stimme gepredigt, aber wie selten ertönt ein reinerer Klang, der, aus der Tiefe kommend, in den Tiefen der Herzen nachhallt!
    Es ist aber auch bekannt, wie oft die Menschen, wenn sie gesättigt sind, eine ganz andere Sinnesart haben, als da sie noch hungrig waren.
    Und da es auch gut ist, daß man nach Tische eine Weile ruht, so wollen wir die Folgen der Frühpredigt erst nach einer Pause weiter betrachten.
     
Nachwirkungen der Frühpredigt.
     
    So lind und frisch es auch in den Mittagsstunden draußen in Wald und Feld ist, so wandeln doch nur wenig »Mannen« hinaus, und auch diese kehren bald zurück, bis endlich Alles in der raucherfüllten niedern Stube zum Adler beisammen ist.
    Es mag auffallend erscheinen, daß auf dem Lande freie Trinkplätze so selten sind, wo man im Schatten der Bäume unter freiem Himmel seinen Schoppen in Frieden genießt. Aber erstlich fühlen sich die, welche die ganze Woche draußen sind, behaglicher unter Dach und Fach, und sodann vereinzelt das Zusammentreffen im Freien: der Raum ist unbeschränkt, man rückt nicht so nahe zusammen, das Wort des Einzelnen verhallt leicht, weil es nicht, von den Wänden eingeschlossen, zu Allen dringt.
    Wir müssen uns also schon dazu bequemen, in die Wirthsstube einzutreten.
    Um den runden Tisch in der Ecke sitzen Viele. Constantin, Mathes und der Buchmaier lesen die Zeitung, von der heute drei Blätter auf einmal angekommen sind. Sie theilen mit, was ihnen von Belang scheint und worüber sie Etwas zu sagen haben. Es sind oft Bemerkungen, die den Nagel auf den Kopf treffen, oft aber auch Schläge in die Luft. Denn heutigen Tages, wo man es meist darauf anlegen muß, den leitenden Grundgedanken zwischen den Zeilen herauslesen zu lassen, ist es für den Uneingeweihten fast unmöglich, das Rechte zu finden.
    Das

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