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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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neben seinem Pferde und wehrte ihm die Bremsen ab. Da lächelte er einmal halb schmerzlich vor sich hin, denn er dachte: »Ich bin auch so ein Gaul, der im heißen Sommer den Frachtwagen ziehen muß und an den sich noch obendrein die Bremsen hängen, ihn stechen und plagen und ihm das Blut aussaugen.« – Während er so dachte, hatte er vergessen auf das Thier zu achten, das nun von den fliegenden Quälern wie übersät war.
    Oben an der Steige im Walde wurde Halt gemacht. Jakob spannte sein Pferd ab. Der nächtige Sturm hatte hier tapfer gerast. Drinnen bei den Menschenkindern in ihren festgezimmerten Behausungen da weiß er nichts zu fassen und er packt nur im Muthwillen einen losen Fensterladen und klopft an, die Schläfer gemahnend, daß er wache. Draußen aber, da ist sein Reich. Er läßt das Korn aufwogen, eilt rasch fort nach dem Walde, weckt die schlafenden Bäume, daß sie rauschen und brausen wie das ewige Meer, von dannen er kommt, daß die sangfertigen Kehlen der Bewohner der Lüfte verstummen und denen gleich seien, die in der Tiefe der Wellen hausen; denn ein einziger vom Unsichtbaren ausgehender Odem beherrscht Alles.
    Das muß ein lustig Leben hier gewesen sein! Und wie dann der Sturm entflohen war und die segenbringende Wolke alles Leben erquickte! Darum jubiliren auch die Vögel so lustig in den Zweigen und die Lerche steigt, auf sich selbst ruhend, hoch auf, gleich einem Gebete.
    Dem alten Eichbaum am Wege, dessen Wurzeln gleich einer mächtig ausgebreiteten Riesentatze sich in die Erde graben, ist ein schöner junger Ast abgeknackt worden. Solch junger Nachwuchs taugt nicht mehr für den knorrigen Alten, das hat ihn der Sturm gelehrt. Auf dem Stumpfe des geknickten schlanken Astes sitzt ein Buchfink und singt fröhlich in den Morgen hinein; er lockt wohl seinen Gefährten. Ist es vielleicht der drinnen im Dorf auf der Dachfirste?
    Jakob war schon sehr müde, sitzlings kehrte er auf seinem Pferde heimwärts. Im Vorbeireiten riß er sich ein Birkenblatt vom Baume, legte es zwischen die Lippen und nun merkte man erst, wie vielerlei Weisen, lustige und traurige, Jakob im Kopfe hatte. Der Ton, den er durch das »Blätteln« hervorbrachte, glich dem eines schrillen Instrumentes, nur entfernt mit einem hochgezwängten Clarinettenton zu vergleichen; dabei war er aber der leisesten und zartesten Biegungen fähig. Besonders künstlich war, wie Jakob den Klang des Posthorns mit seinem eigentümlichen Zittern nachahmte.
    Seitdem Jakob in das Dorf gekommen, war dies zum Erstenmal, daß er etwas von seinem Melodienschatze preisgab. Im Innern war es ihm aber gar nicht »singerig« zu Muth. Er machte sich grausame Vorwürfe über sein gestriges Benehmen, er ist weiter gegangen als er wollte; er hat ein fremdes Leben an sich geschlossen und doch ist ihm sein eigenes zur Last. Er sieht Qual und Kummer von neuem über sich kommen. Er gedenkt einer Vergangenheit – das Blatt entfällt seinem Munde, er fängt es aber noch glücklich mit der Hand auf und blättelt weiter. Er kam sich jetzt doppelt verächtlich vor, da er so hülflos und verlassen ein so herrliches Mädchen mit Gewalt von sich stoßen mußte. Und doch muß es so sein – das war der Schluß seiner Ueberlegungen.
    Als er heimkam, bemerkte er, daß er das »Zielscheit« verloren hatte. Er rannte nun nochmals den Weg hin und zurück, für den er vorhin zum einmaligen Gehen zu müde war; aber vergebens, er fand das Verlorne nicht wieder. Alles, was er heute unternahm, ging ihm »hinterfür«, und selbst die Thiere waren wie verhext. Er trat den Braunen mit den Füßen, weil er sich nicht alsbald schirrgerecht an die Deichsel gestellt hatte; heute zum Erstenmal wurde er von Konrad tüchtig ausgezankt. Jakob ließ sich's aber nicht gefallen, sondern erwiderte scharf und bestimmt: der Adlerwirth könne ihn ja auf Michaeli fortschicken, oder morgen oder gleich heut, es sei ihm Alles eins. Konrad schwieg, denn so arg hatte er's nicht gemeint.
    So sind aber die Menschen, sowohl die, welche man Herren heißt, als auch die, welche wirklich Knechte genannt werden. Wenn ihnen etwas quer gegangen ist und sie in Verstimmung bringt, da zerren und reißen sie an allen Banden, die sie mit Anderen verknüpfen; sie wollen noch unglücklicher, sie wollen losgetrennt und allein sein, damit Niemand die Befugniß habe, sie in's Klare zu bringen, weil sie nur im Unklaren zu ihrer Verstimmung berechtigt sind.
    Jakob wäre es noch besonders lieb gewesen, wenn ihn sein Herr beim

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