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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Worte genommen hätte; er selber wollte nichts dazu thun, aber eine fremde Gewalt sollte ihn fortdrängen aus allen seinen jetzigen Verhältnissen, aus all dem Wirrwarr, den er hereinbrechen sah.
    Jakob war sehr unglücklich. Ein Schauer überkam ihn voll süßer Wehmuth, wenn er an Magdalene dachte; sie konnte ihm sein Leben wieder aufhellen, und doch war auch sie gebrandmarkt, vor den Augen der Welt wenigstens. Sie waren Beide arm – was sollte daraus werden? Er überlegte nun, daß er eigentlich noch gar keine Verpflichtung gegen Magdalene habe, Alles war noch zu trennen; um dieses vollends zu bewirken, wollte er ihr berichten wer er sei.
    Mit diesem Vorsatze ging er den andern Abend zu Magdalene in die Scheune, wo sie kurz Futter schnitt. Sie setzten sich auf einen Kleebündel und Jakob erzählte:
    »Ich hab' kein' Jugend gehabt, ich kann dir nichts davon erzählen. Noth und Elend macht vor der Zeit alt. Ich bin ein vaterloses Kind. Weißt du, was man da auszustehen hat? Von den Alten und von den Jungen? Der Schullehrer hat einen Seinesgleichen aus mir machen wollen, ich will aber nicht. Eine Viertelstund von meinem Ort da ist die Post, da war ich immer und hab' geholfen. Ich hab' zu essen bekommen und die Reisenden haben mir auch oft was geben; ich hab' aber nie Einen angesprochen. Ich närrischer Bub hab gemeint, es kommt einmal ein König mit einer goldenen Kron' auf, und der nimmt mich mit und macht mich glücklich. Ich hab' allerlei dumme Geschichten im Kopfe gehabt und hab' auch gemeint, Der müss' kommen von dem mein' Mutter nicht gern spricht und hab' allen Menschen in die Augen gesehen. – Fort, es ist jetzt alles vorbei ... Wie ich vierzehn Jahre alt war, hab' ich das Postkärrele bekommen und was meinst, wie wohl mir's war, wie ich den gelben Rock' hab' anziehen dürfen und den Glanzhut aufsetzen? Das war die glücklichste Zeit, die ich in meinem Leben gehabt hab'. Hurrah! Wie bin ich dahin gefahren auf meinem zweirädrigen Kärrele, ich war allein und hab' selber kutschirt, jetzt war Ich König. Mein Herr hat mich einmal geschlagen, weil der Gaul gefallen ist und hat sich beide Vorderfüß' aufgeschürft. Am nächsten Ziel bin ich fort und bin Kutscher in der Stadt geworden.
    Nach zwei Jahren bin ich fort. Warum? das gehört nicht daher. Ich bin nun Postillon in R. geworden. Jetzt war mir's erst wieder wohl. Mein Posthörnle, das war mein' Freud. Ich hab' manches Trinkgeld über die Taxe von den Reisenden bekommen, weil's ihnen gar wohl gefallen hat. Wenn ich Nachts durch den Wald heimgeritten bin, da war mir's wie wenn die Bäum' sagen thäten: fang' jetzt einmal an, spiel einmal eins auf, wir warten schon lang. Und da hab' ich viel' besser geblasen, als ich's eigentlich kann, und die Bäum' haben sich selber vor Freude geschüttelt im Mondlicht, und der Wald hat selber zu blasen angefangen, und ich hab' nicht mehr aufhören können, und eins hat das andere nicht ruhen lassen, und es war mir, wie wenn ich mein Leben lang, hundert Jahr so fortreiten sollt', und mein' Gäul' sind so still und fromm dahin gangen, und ich selber war fromm und lustig und Alles war prächtig.«
    Jakob hielt eine Weile inne, biß scharf auf die Lippen, dann fuhr er fort:
    »Ich bin jetzt nur noch der halb' Kerle, der ich war. Ich darf's jetzt schon sagen, ich bin's ja nicht mehr, ich war ein ganzer Bursch. Die ganz' Welt hat mich lieb gehabt und ich hab' sie wieder lieb gehabt; ich hab' nicht gewußt, was Kummer ist und Alles hat mir freundlich gelacht, wenn ich's angesehen hab. Es ist vorbei ...« Mein Unglück hat in dem Haus schräg gegenüber von der Post gewohnt und das war die Frau von dem Kupferschmied, und die allein hat nicht gelacht und hat die Augen niedergeschlagen, wenn sie mich gesehen hat. Was ist da viel zu sagen? Wir haben einander gern bekommen. Jetzt war ich im Fegfeuer und ich hab' Tag und Nacht kein' Ruh mehr gehabt. Guck, wenn unser Herrgott einen mit der siebenten Höll' strafen will, da soll er ihn nur in eine Ehefrau verliebt machen. Ist man brav, da möcht' man verbrennen; ist man nicht brav, da hat Einen der Teufel und sein' Großmutter am Bändel und läßt Einen nicht ruhen und nicht rasten und gunnt Einem kein' fröhliche Minut. Wenn ein Bursch eine Ehefrau gern hat, sollt' er sich nur gleich einen Stein um den Hals hängen und sich ins Wasser schmeißen, wo's am tiefsten ist. Oder ein guter Freund sollt's ihm thun, wenn er selber nicht will. Es gibt kein ander Rettungsmittel. Die

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