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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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gebunden.
    Magdalene wußte nichts von alle dem. Sie war betrübt aufgestanden und wollte eben die Hühner herauslassen; keines kam hervor, der Marder hatte sie allesammt erwürgt. Sie konnte nicht in's Haus eilen und die Unglücksbotschaft verkünden, denn auch zu ihr kamen der Schultheiß und der Schütz und verhafteten sie. Sie folgte still der Weisung.
    Das ganze Dorf war in Allarm, Alles schimpfte und fluchte über das fremde Gesindel, das nur ein Ableger einer großen Bande sein sollte; wo etwas fehlte, sollten es die Beiden entwendet haben.
    Jakob und Magdalene wurden von den herbeigeholten Landjägern zur Stadt geführt. Sie waren zehn Schritte voneinander getrennt. Jedes hatte seinen besondern Begleiter. Drinnen im Dorfe läuteten die Glocken zum Erstenmale zur Kirche, sie klangen so hell als ginge es zum Traualtare – das sind böse Brautführer zur Seite.
     

Der rechte Mann.
     
    Magdalene war bald wieder aus dem Gefängnisse entlassen worden; sie konnte weder für noch gegen Jakob zeugen, sie hatte den Eingestiegenen nicht erkannt; ihre eigne Schuldlosigkeit aber war offenbar. Wie traurig kehrte sie in das Dorf zurück. Der Bäck wollte sie nur noch bis zum »Ziele« behalten, der Pfarrer machte ihr herbe Vorwürfe und sagte: er müsse die Sache an den Verein berichten, dessen Stelle er hier vertrete.
    Arm und verlassen war Magdalene und doch fand sie einen Trost darin, Jakob ihr Sparkassenbüchlein gegeben zu haben; man mußte das bei ihm gefunden haben und sie glaubte, er würde eher frei, wenn er das Entwendete damit zurückerstatte. Sie sagte das dem Bäck und bat ihn, ein gutes Wort einzulegen, der aber bedeutete sie:
    »Die Sache hat ihren Lauf, da ist nichts mehr zu machen. Du bist jedenfalls um dein Geld, das fressen die Proceßkosten. Geschieht dir recht.«
    Eine Hoffnung erhob Magdalenen wieder. Bärbele, die Adlerwirthin, versprach ihr, sie in Dienst zu nehmen. Nun hatte sie doch wieder einen »Unterschlupf« für den Winter, aber sie mußte im Dorf bleiben und wie gern wäre sie fort.
    Die Ihr Euer Leben lang behütet und umschirmt im Familienkreise aufgewachsen, denen eine liebende Hand Alles versorgte und schmückte, vom ersten Kinderhemdchen an bis zur hochschwellenden, erwartungsreichen Aussteuer, die ihr nie allein und frierend draußen gestanden in der weiten Welt, und nirgend ein Herz, das bangend und verlangend nach euch ausschaut – ihr könnt es kaum ermessen, was sich in der Seele eines Mädchens aufthut, dem seit dem ersten Gedanken zugerufen ward: dein Schicksal ist in deine Hand gegeben, du gehörst und hast Niemand, du bist allein; alle Liebe und allen Lebensunterhalt mußt du erobern, du kannst jede Minute ausgestoßen werden und bist fremd; kein unauflösliches Familienband umschlingt dich über alle Irrungen und Wechsel des Lebens hinweg.
    So ohne Anhang und ohne Abhängigkeit zu leben ist wol auch eine Freiheit, aber dem jugendlichen Herzen, zumal dem eines Mädchens, thut es wohl zu gehorchen, einem fremden Willen die Verantwortlichkeit für die Lebenswendungen anheim zu stellen. Darum hatte Magdalene sich von ihrem Vater ausbeuten lassen, darum gehorchte sie dann so freudig der Fürsorge Heisters und wollte sie Jakob dienen, seine Schwermuth und seine Launen ertragen als eine demüthige Magd; hatte sie doch einen lieben Menschen, der ihr und dem sie angehörte.
    Jetzt war sie wieder ganz allein. Sie wendete sich zum Vater aller Menschen, sie wollte mit aller Macht seine Hand fassen, er sollte sie führen, sie wollte ein Zeichen, einen bestimmten Befehl, was sie thun solle; sie hatte ja rechtschaffen gelebt. Sollte sie alle Gedanken von Jakob ablösen? Sie konnte nicht. Die sie so zerknirscht in der Kirche liegen sahen, hatten Mitleid mit ihrer Reumüthigkeit; aber Niemand half ihr, selbst der Pfarrer nicht, der ihr zürnte, weil sie ihre Unschuld betheuerte.
    Magdalene ging abgehärmt umher; sie hoffte bald durch den Tod erlöst zu werden.
    Der Herbstwind spielte mit den abfallenden Blättern und ließ sie erst im Tode fühlen, wie frei es sich wiegt in den Lüften. Im Schicksal Jakobs war noch immer nichts entschieden, nur quälte ihn neben dem Untersuchungsrichter auch noch der Thorwart mit seiner zudringlichen Frömmigkeit. Der Gute! wir kennen ihn noch von der Scene im Vorzimmer des Vereins. Er hatte mit Ruhe und einzig durch salbungsvolle Reden sein Ziel erreicht. Die sehr mächtige Partei der Frommen hatte ihm diesen Posten verschafft und er wirkte in ihrem

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