Schwarzwaelder Dorfgeschichten
sich Räumlichkeit und Größe zu betrachten; einmal aus der Werkstatt, ging er nicht wieder zurück, sondern wanderte ins Feld. Als er hier die arbeitenden Bauern betrachtete, zog der Gedanke durch seine Seele: Wie glücklich sind diese Menschen in der Stetigkeit ihrer Arbeit. Sie wissen nichts von Stimmungen und Zwiespältigkeiten des Berufs, ihre Arbeit ist so fest und unausgesetzt, wie das ewige Schaffen der Natur, der sie dienen. Wär' ich ein Bauer, ich wäre glücklich. – Nun fiel ihm auch eine Bäuerin ein, er saß im freien Felde am hellen Mittag auf dem Pfluge, ein Weib kam den Rain herauf, sie trug das einfache Essen im tuchumwickelten Topfe, ihr Antlitz leuchtete, als sie ihren Mann sah, der, die schirmende Hand an die braune Stirn gelegt, nach ihr ausschaute; sie lächelte und ihr Mund schwellte sich wieder zum Kusse. – Wir sind genußsüchtige Menschen, dachte Reinhard, aus seinen Träumen aufseufzend; wie glücklich könnte ich leben, vermöchte ich's, mich in die Beschränkung einzufrieden.
Aber – so sonderbar ist der Mensch in seiner Doppelnatur geartet – Reinhard konnte wenige Minuten darauf sein Traumbild in flüchtigen Umrissen in sein Skizzenbuch zeichnen. Wohl that er's nur zur Erinnerung, aber es war doch noch mehr, und daß er überhaupt so bald eine Träumerei in eine Skizze verwandeln konnte, mußte ihm zeigen, wie weit ab er davon war, seinen Künstlerberuf hinter sich zu werfen. – Die Züge des Weibes hatten unverkennbare Aehnlichkeit mit einem nicht gar fernen Mädchen. Reinhard wollte sich selbst entfliehen, indem er mit voller Kraft den Bergwald hinaufrannte: er schweifte lange umher, da sah er in einer Schlucht die zur Trift abgeholzt war, einen Hirtenknaben, der auf seinen Stock gelehnt über die weidenden Kühe hinweg nach dem Thal schaute. Reinhard schlich leise an ihn heran, nahm ihm den breiten, schwarzen Hut vom Kopfe und machte eine tiefe Verbeugung; der Knabe lachte und dankte vornehm nickend, ein frisches Antlitz von feuerrothen Lockenkrausen umwallt, schaute zu Reinhard auf.
»Nun? ist das Alles?« fragte der Knabe keck; »her mit dem Hut!«
»Nein, ich will dich abzeichnen, willst du still halten?«
»Ja, wenn Ihr mir einen Groschen gebt.«
Reinhard ward handelseins, der Knabe aber wollte nichts vom Stillehalten wissen, bis er den Groschen in der Tasche habe. Reinhard mußte willfahren. Während der Arbeit erfuhr er nun, daß der Knabe beim Lindenwirth diente und hier dessen Kühe hütete.
»Wen hast du denn am liebsten im Hause?«
»Da sitzt er und hat's Hüetle auf,« antwortete der Knabe schelmisch, was so viel hieß als: man wird dir's nur schnell sagen, ja, wart' ein Weilchen.
»Also die Bärbel?« fragte Reinhard.
»Nein, die gewiß nicht; ich kann's Euch meinetwegen auch sagen, aber wenn Ihr's verrathet, werdet Ihr gestraft um sechzehn Ellen Buttermilch.«
»Also wer ist's?«
»Versteht sich das Lorle. Du lieber Himmel! Wenn ich nur nicht erst dreizehn Jahr' alt wär', das Lorle müßte mein Weible sein; ich hab' aber nur fünf Gulden Lohn im Sommer und ein paar Nägelschuh' und ein paar Hosen und zwei Hemden, das gibt kein Heirathgut. Aber das Lorle, das ist ein Mädle, potz Heidekukuk! Es kommt immer daher, wie wenn es aus dem Glasschränkle käm', und es schafft doch sellig, und da guckt es so drein, daß man nicht weiß, darf man mit ihm reden oder nicht; es hat so getreue Augen, daß man satt davon wird wenn man's ansieht, und es sagt nichts und es ist Einem doch wie wenn es über alle Menschen zu befehlen hätt', und wenn es was sagt, muß man ihm durch's Feuer springen, da kann man nimmer anders.«
Reinhard sah den Knaben so verwirrt an, daß dieser die Hand an die Seite stemmte und herausfordernd fragte: »Was gibt's denn? Was wollet Ihr?«
»Nichts, nichts, red' nur weiter.«
»Ja was weiter? Da habt Ihr Euern Groschen wieder, wenn Ihr mich zum Narren habt, und ich red' jetzt gar nicht, just nicht, gar nicht.«
Reinhard beruhigte den Knaben, der sich in Zorn hineinarbeiten wollte, er schenkte ihm noch einen Groschen; das that gute Wirkung. –
Als die Zeichnung vollendet und Reinhard weggegangen war, jauchzte der Knabe laut auf, daß die Kühe, das abgegraste Futter im Maul haltend, nach ihm umschauten. Der Knabe setzte sich schnell auf den Boden und betrachtete mit unendlicher Befriedigung Wappen und Schrift an den beiden Groschen, dann zog er das in ein Knopfloch gebundene Lederbeutelchen vor, darin noch anderthalb Kreuzer waren,
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