Schwarzwaelder Dorfgeschichten
legte schmunzelnd das neue Geld hinein und sagte, den Beutel zudrehend: »So, vertraget euch gut und machet Junge.«
Während sich dies im Walde zutrug, hatte der Collaborator im Dorfe ganz andere Begebnisse. Er besuchte den Schullehrer und traf in ihm einen abgehärmten Mann, der schwere Klage führte, wie sein Beruf so viel Frische und Spannkraft erheische und wie der bitterste Mangel ihn niederdrücke, so daß er sich selber sagen müsse, er genüge seinem Amte nicht. Der Collaborator gab ihm zwei Gulden, die er nach Gutdünken verwenden solle, den Schulkindern eine Freude damit zu machen, ausdrücklich aber verbot er, ein Buch dafür zu kaufen. – Der neuen Kirche gegenüber auf den Bausteinen saß ein hochbetagter Greis, der jetzt den Collaborator um eine Gabe bat. Auf die Frage nach seinen Verhältnissen erzählte der Alte, daß ihn eigentlich die Gemeinde ernähren müsse und daß sie ihm auch Essen in's Haus geschickt habe; er habe es aber nur zweimal angenommen, er könne nicht zusehen wie seine sieben Enkel um ihn her hungern, während er sich sättige. Die umstehenden Maurer bestätigten die Wahrheit dieser Aussagen. Der Collaborator begleitete den alten Mann nach Hause und das Elend, das er hier sah, preßte ihm die Seele so zusammen, daß er zu ersticken glaubte; er gab hin was er noch hatte, er hätte gern sein Leben hingegeben, um den Armen zu helfen. Lange saß er dann zu Hause und war zum Tode betrübt, endlich machte er sich an die Arbeit, das Clavier zu stimmen.
Mittag war längst vorüber, da kam Lorle zu ihm; sie hatte sich zwar gestern vorgenommen mit dem »Ueberg'studirten« zu trutzen, aber es ging nicht. Für ein gutes Gemüth giebt es keine schwerere Last, als erfahrene Unbill oder Kränkung in der Seele nachzutragen. Lorle hatte alles Recht dazu, wieder freundlich zu sein.
»Da sehet Ihr's jetzt, wie der Herr Reinhard ist,« sagte sie, »wenn er einmal vom Haus fort ist, muß man ihm das Mittagessen oft bis um viere warm halten. Das muß man sagen, schleckig ist er nicht, er ist mit Allem zufrieden; aber es thut Einem doch leid, wenn das gut Sach' so einkocht und verdorrt, und man kann's doch nicht vom Feuer wegthun. Und, Herr Reihenmaier, ich hab' auch viel an Euch denkt; Ihr habt gestern so eine gute Sach' gesagt und so schön ausgelegt, jetzt lasset's aber nicht blos gesagt sein, Ihr müsset's auch eingeschirren und in's Werk richten.«
»Was denn?«
»Das mit dem Verein für die Kindbetterinnen; gehet zum Pfarrer, daß der die Sach' in Ordnung bringt«
»Gut, ich gehe.«
»Ja,« sagte Lorle, »jetzt nach Tisch ist grad die best' Zeit beim Pfarrer, und Euch wird Euer Essen noch viel mehr schmecken, wenn Ihr so was Gutes in Stand bracht habt.«
Der Collaborator traf den Pfarrer im Lehnstuhl, zur Tasse Kaffee eine Pfeife rauchend. Nach den herkömmlichen Begrüßungen wurde das Anliegen vorgetragen, der Pfarrer schlürfte ruhig die Tasse aus und setzte dann dem Fremden auseinander, daß der Plan »unpraktisch« sei, die Leute hülfen einander schon von selbst. Der Collaborator entgegnete, wie das keineswegs der Fall sei, daß man deshalb die Wohlthätigkeit organisiren müsse, um zugleich frischen Trieb in die Menschen zu bringen. Der Pfarrer stand aus und sagte mit einer kurzen Handbewegung: man bedürfe hier der Schwärmereien von Unberufenen nicht. Jetzt gedachte der Collaborator der Armuth und Noth, die er erst vor wenigen Stunden gesehen; immer heftiger werdend rief er:
»Ich kann nicht begreifen, wie Sie die Kanzel besteigen und predigen können, indem Sie wissen, daß Menschen aus der Kirche gehen die hungern werden, während Sie sich an wohlbesetzter Tafel niederlassen.«
Der Pfarrer kehrte sich verächtlich um und sagte: er würdige solche demagogische Reden – er war noch aus der alten Schule und hatte den Ketzerstempel communistisch noch nicht – kaum der Verachtung. Er machte eine Abschiedsverbeugung und rief noch: »Sagen Sie Ihrem Freunde, er möge seine Liederpropaganda unterlassen, sonst giebt's eine Polizei. Adieu.«
Der Collaborator kam leichenblaß zu Reinhard in das Wirthshaus und aß keinen Bissen. Als ihn Lorle nach dem Erfolge seines Ganges fragte, erwiderte er wie zankend: »Ich bin ein Narr!« dann preßte er wieder die zuckenden Lippen zusammen und war still.
Reinhard hielt Lorle sein Skizzenbuch hin und fragte: »Wer ist das?«
»Ei der Wendelin. Lasset mir's, ich will's der Bärbel zeigen.«
»Nein, das Buch gebe ich nicht aus der
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