Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Bärbel hatte Lorle an diesem ersten Morgen auch schon einen Kampf, denn die gute Alte deckte den Tisch nur für zwei Personen; keine Ermahnung und keine Bitte, daß sie doch mit am Tisch essen solle, fruchtete; denn sie behauptete, es schicke sich nicht, ja sie verbot Lorle, ihren Mann irgend damit zu behelligen, da er sie sonst für gar zu einfältig halten müsse.
Die Suppe stand endlich auf dem Tisch, Lorle betete still, Reinhard betete nicht und sie wiederholte das Gebet noch einmal anstatt ihres Mannes.
Als sie nun beisammen saßen, fragte Reinhard: »Lorle, sind die Teller unser eigen?«
»Ja freilich, wem denn?«
»Juhu! Wenn ich jetzt einen Teller zerbrech', brauch' ich dem Wirth nicht zahlen; das ist mein, Alles mein eigen.« – Er nahm einen Teller und warf ihn jubelnd auf den Boden.
»Er ist von einem ganzen Dutzend,« sagte Lorle.
»Mein Dutzend hat nur zehn,« rief Reinhard und warf noch einen entzwei, dann tanzte er singend mit Lorle um den Tisch herum.
»Du bist ein wilder Kerle,« sagte sie, die Scherben zusammenlesend, »ich will andere Teller holen.«
»Nein, wir essen miteinander aus der Schüssel.«
»Mir auch recht.«
Die Bärbel kam, da sie das Zerschmettern vernommen hatte, Lorle aber sagte: »Brauchst heut' keine Suppenteller mehr bringen, wir essen aus der Schüssel, da haben wir's g'rad wie daheim.« –
Reinhard stellte seine Frau Niemand vor, sie bedurfte ja Niemand außer ihm, er war ihr Alles; er machte seine Antrittsbesuche bei Vorgesetzten, Gönnern und Bekannten, und wo man ihm zu seiner Verheirathung glückwünschte, dankte er einfach und lenkte das Gespräch bald ab.
Die Gallerieangelegenheit war noch keineswegs erledigt, wenn auch schon ein Beamter dafür angestellt war; in diesem Winter sollte ein außerordentlicher Landtag, und zwar wie man solche am meisten liebt, ein bloßer Finanzlandtag einberufen werden, um wegen der in Aussicht stehenden Verheirathung die Gelder zum Baue eines Schlosses für den Thronerben zu bewilligen; auch über die Kosten zum Baue des Galleriegebäudes sollte dann mit den Ständen eine Vereinbarung getroffen werden; eine Gesetzesvorlage über Wiesenberieselung sollte den Schein des Gemeinnützigen hergeben.
Während Reinhard sich durch seine Besuche eine umfassende Kenntniß des Staatskalenders verschaffte, konnte Lorle zu Hause sich noch gar nicht in das Stadtleben finden. Wenn Alles so sehr gesäubert und in Ordnung war, daß sich nun durchaus nichts mehr aufbringen ließ, vermochte es Lorle über die Bärbel, daß sie sich zu ihr in die Stube setzte; es bedurfte hierzu vieler Ueberredung, denn die Bärbel, die nun schon seit mehr als dreißig Jahren diente, hatte ihre festen Ansichten, man möchte sagen ihre Handwerksregeln für das Leben, von denen sie nicht gern abging; sie sagte immer zu Lorle: »Herrschaft ist Herrschaft und Dienst ist Dienst.« Erst wenn Alles verschlossen war, gab sie nach und setzte sich zu ihrer »Madam« in die Stube, aber weit ab vom Fenster, daß man sie aus den Häusern gegenüber nicht sehen konnte. Kam dann Reinhard, der den Schlüssel zur Hausflurthür hatte, so wollte sie sich rasch auf ihren Posten zurückziehen; sie mußte jedesmal dringend ersucht werden, doch ungestört zu bleiben. Man durfte ihr hundertmal etwas zugestehen, was außerhalb ihres Kreises lag, sie sah es dadurch nie als ihr Recht an, stets mußte sie auf's Neue dazu gebracht werden; sie setzte einen gewissen Stolz darein, nicht in den vertraulichen Ton einzugehen, ihr Grundsatz war: geb' ich dir dein' Ehr', mußt du mir mein' Ehr' geben, kannst mich nicht das Einemal an den Tisch setzen und das Anderemal hinter die Thür stellen. – Reinhard aber sah in dieser fortgesetzten Haltung eine bäurische Umstandsmacherei, er verlor wenig Worte mehr mit der Bärbel. In seiner Abwesenheit saß sie nun bei Lorle, emsig plaudernd. Die Wohnung war, obgleich in einem ganz neuen Stadtviertel, dennoch im dritten Stock, da unsere weitgreifende Zeit gleich von vornherein hoch baut.
»Ach Gott!« klagte Lorle einmal, »es ist so hoch oben, wenn einmal Feuer ausgeht; und du dauerst mich auch, man muß das Wasser so weit herauf holen. Es ist so unheimelich. Da guck einmal 'nab, es schwindelt Einem, und man sieht den Menschen nur auf den Hutdeckel. Die Stadtleut' sind aber doch pfiffig, sie bauen in die Luft hinein, da kostet's keinen Platz, da spart man das Feld dabei. Ich lass' aber nicht nach am Reinhard, bis er ein eigen Haus kauft, wo wir allein
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