Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
vollen Mehlschränke, über die umfangreichen Schmalztöpfe und alle Bedürfnisse einer vollen Haushaltung, die Bärbel mitgebracht hatte; jeden Topf in der Küche wollte sie beschauen als ihr nunmehriges Eigenthum. Reinhard wollte Anfangs Einhalt thun, dann aber ging er selber mit durch Küche und Kammer und freute sich an dem Glücke seines »lieben Hausmütterchens«.
    Bis spät in die Nacht saßen dann die Beiden noch beisammen auf dem Sopha, und Reinhard erzählte, wie er, das einzige Kind seiner Eltern, diese schon früh verloren, wie er in einem Institut erzogen, später im Widerspruch mit seinem Vormunde die Studien aufgegeben und sich der Kunst gewidmet, wie er, aller Bande los und ledig, frei in der Welt umhergeschweift. »Nie,« schloß er, »hab' ich's empfunden, was ein Heimathherd ist; meine tiefe Sehnsucht ist nun erfüllt, freilich mit einem schweren Opfer, ich habe mich in Dienst begeben, aber freudig gebe ich einen Theil meines freien Künstlerthums hin, um eine Heimath, ein Nest zu haben.«
    Lorle umhalste ihn und sagte: »Du sollst gewiß immer gut und gern daheim sein, du armer Mensch, den sie so in die Welt hinausgestoßen haben.«
    Am andern Morgen kam der Collaborator mit seiner Schwester zur Bewillkommnung; er hatte gleich am Tage nach der Hochzeit alle Thüren der neuen Wohnung mit Kränzen geschmückt; als aber die Ankunft der Erwarteten sich verzögerte und die Kränze welk wurden, nahm er sie still wieder ab.
    »Es wird mir auch mit der Zeitgeschichte so ergehen,« sagte er, »ich winde meine Kränze zu früh für den Einzug des neuen Lebens; die harrenden Blumen verdorren und am Ende zieht die neue Welt durch ungeschmückte Thore. Sei's, wenn sie nur kommt.«
    Leopoldine, die Schwester des Collaborators, ein von Natur liebreiches aber durch Jahre und Schicksale herb gemachtes Gemüth, hatte mit wahrhaft schwesterlicher Sorgfalt allem vorgesorgt; traf solches Anordnen und Einrichten auch mit ihrer Neigung zusammen, so war doch nicht minder wirkliche Güte dabei thätig. Unter dem wiederholten Danke des jungen Ehepaares führte sie nun Lorle in der Wohnung umher und zeigte ihr den Gebrauch jedes Schränkchens, und wie man es in Ordnung halten müsse, wie man die Schlüssel umdrehe, die Schublade ausziehe, Alles. Lorle war eine willfährige Schülerin, zu Manchem aber bemerkte sie doch: »Das brauchet Ihr mir nicht sagen.« Sie sprach das in reiner Ehrlichkeit, sie kannte die Gesellschaftslüge noch nicht, der zufolge man sich unwissend stellen muß, um dem Andern in seiner Weisheit angenehm zu erscheinen; sie wollte der »guten Person« nur die unnöthige Mühe ersparen. Leopoldine sah aber hierin einen bäurischen Stolz, der sich nicht gern zurechtweisen ließe; sie war indeß zu erhaben, um sich von dem Dorfkinde beleidigen zu lassen, sie widmete ihr fortwährend mitleidvolle Gönnerschaft, zumal sie wirkliches Bedauern fühlte, daß sich »das Kind« mit einem so wilden Naturell wie das Reinhard's war, auf ewig verbunden hatte.
    Der Collaborator war in seltsamer Stimmung, er ging scherzend und singend durch alle Zimmer und versuchte allerlei Schabernack; es hatte den Anschein, als wollte er eine frühere Weise Reinhard's sich aneignen; er nöthigte Reinhard schon am frühen Morgen, eine Flasche Wein mit ihm auszustechen, obgleich die Schwester bemerkte, daß ihm das nie gut bekäme. Als ihr Bruder aber dennoch nicht nachgab, verzerrten sich ihre Züge auf eine höchst unangenehme Weise; mit Schrecken bemerkte dies Lorle, Leopoldine aber redete kein Wort mehr.
    Nachdem »die beiden Junggesellen«, wie sie Reinhard nannte, sich verabschiedet hatten, kam es Lorle vor als wäre ein fremdes Leben durch ihre Zimmer geschritten, als ob die Möbel anders stünden als früher; erst nach und nach heimelte sie's wieder an in ihrer Behausung.
    »Nun, was sagst du zu Leopoldine?« fragte Reinhard. –
    »Die ist Weinessig, ist einmal Wein gewesen,« erwiderte Lorle.
    Reinhard bemühte sich, ihr eine bessere Anschauung beizubringen, und hier zum Erstenmal erfuhr er eine ihm unerklärliche Schärfe des Urtheils bei Lorle, die er der Zartheit ihres liebevollen Gemüthes nie zugetraut hätte. Er bedachte nicht, daß es eine Menschenliebe gibt, die streng und rücksichtslos urtheilt, die aber, trotzdem daß sie die Mängel erkennt, in ungeschwächtem Wohlwollen verharrt; daß ferner ein unverborgenes Naturell ohne Rückhalt und unbarmherzig die augenblickliche Empfindung als Urtheil ausspricht.
    Mit

Weitere Kostenlose Bücher