Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Kopf; er hob einen Arm und ließ ihn matt wiederum sinken.
In dunkler Kammer hatte sich Lorle über das Bett geworfen, kein Schlaf berührte ihre Augenlider, ihre Gedanken wurden wie von nächtigen Geistern wirr durcheinander gejagt und Bilder, die kein Wachen schauen kann, umgaukelten sie. Der Tag graute. Als fühlte sie das Nahen des Morgens, stand sie auf, Reinhard lag noch in ruhigem Schlafe. Sie kleidete sich sorgfältig an, nahm ihr Gebetbuch, öffnete es aber nicht, sondern steckte es zu sich; was sie jetzt vorhatte, kam zunächst aus der Entschiedenheit ihres Charakters, aus ihrem selbständigen Entschluß. Vom Abend her lag noch eine geklärte Ruhe auf ihrer Seele und eine Zuversicht die aus der Tiefe des eigensten Lebens kam, spannte ihr ganzes Wesen; sie schwankte keinen Augenblick in ihrem Beginnen. Eine Weile stand sie mit gefalteten Händen vor Reinhard, dann verließ sie die Stube und ging die Treppe hinab. An der Flurthüre des Registrators lauschte sie, Alles war still. »B'hüt euch Gott ihr lieben Kinder,« hauchte sie an die Scheibe und verließ rasch das Haus.
Der Bäcker war höchlich erstaunt, als Lorle ihn bat augenblicklich einspannen zu lassen, um sie nach Hause zu fahren; er willfahrte indeß ohne Zögern und da kein Knecht zu Hause war, übernahm er selbst den Fuhrmannsdienst. Lorle nahm nicht nur kein Frühstück, sondern duldete nicht einmal, daß der Bäcker auf dessen Bereitung wartete.
Als sie an der Kaserne vorbeifuhren, stand ein Tambour dort und schlug die Tagwacht; es war Wendelin, er ahnte nicht, wer im Morgenduft an ihm vorüberzog.
Wenige Stunden darauf erhielt Reinhard durch einen Boten folgenden Brief:
»Ich sage dir Lebewohl, lieber Reinhard, ich gehe wieder heim zu meiner Mutter, ich hab's wohl bedacht, aber ich geh'. Ich danke Dir viele tausendmal für all' das Liebe und Gute auf dieser Welt, was ich durch Dich gehabt hab'. Ich bin ein' schöne Zeit glücklich gewesen. Gott ist mein Zeug', wenn ich's heut' nochmals zu thun hätte und ich wüßt', daß ich so lang in Schmerzen verleben muß, ich thät's doch wieder und ging' mit Dir. Es ist doch ein' schöne Zeit gewesen.
Laß es bleiben, daß Du mich zu dir zurückbringen willst, das geschieht nimmer und nimmermehr; es ist gut so für Dich, und mit Gottes Hülfe auch für mich. Wenn Du mir mein Bett und die zwei blauen Ueberzüge schicken willst, von Allem andern will ich nichts mehr sehen.
Du mußt wieder in die weite Welt und ich geh' heim. Du wirst Deinen Kummer schon wieder vergessen, vergiß meiner aber doch nicht ganz. Lebe wohl und ewig wohl. Bis in den Tod Deine getreue
Lore Reinhard.
Laß der Bärbel noch ein steinern Kreuz setzen, wie Du versprochen hast. Lebe wohl und ewig wohl. Deine Getreue.
Verzeihe, das Papier ist naß geworden, ich habe darauf geweint. Lebe wohl und lebe ewig wohl.«
Und dann?
Der Collaborator ist als Theilhaber einer Mineralienhandlung auf Reisen. Wer weiß, in welchem Bergwerk er jetzt hämmert und gräbt. Wir dürfen ihm Glückauf zurufen und sicher sein, daß er wieder den Weg an's Licht findet.
In Rom fragte die Frau des Kammerherrn Arthur von Belgern, geborene Gräfin Mathilde von Felseneck, angelegentlich nach dem Maler Reinhard, der seine Stellung in der *schen Residenz aufgegeben und sich hieher gewendet hatte; sie hörte nur, daß er selten nach der Stadt käme, sich meist in der Campagna umhertreibe und dort
il Tedesco furioso
heiße.
Durch das Dorf geht eine Frau in städtischer Kleidung, von Jedermann herzlich begrüßt, und fragt ihr, wer sie sei, so wird euch Jeder mit dankendem Blicke sagen, daß sie der Schutzengel der Hülfsbedürftigen ist. Und ihr Name? Man nennt sie die Frau Professorin.
Vierter Band.
Lucifer.
(1847.)
In die wogende Saat.
Die Morgenglocken tönen und klingen und wollen nicht enden, durch die still wogende Saat wallt in langer Reihe eine fromme Schaar, die Kirchenfahnen blau und roth flattern und knattern im sanften Windhauch, laut ausgerufene Worte werden nachgemurmelt in der endlosen Reihe, Gesänge schallen hin über Wiese und Feld und der rauschende Wald verschlingt sie. Hoch oben im Blau verborgen, schmettert die Lerche ihr Lied und badet im lichten Aether; erfrischender Duft athmet von den Höhen und aus den Gründen, und die Weihrauchwölkchen aus den geschwungenen Kesseln zertheilen sich rasch. Dort senkt sich der Zug den Feldweg hinab, die Fahnen sind versunken und die Menschen mit ihnen, dort
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