Schwarzwaelder Dorfgeschichten
kräftiger geschehen war. Mochte seine Beziehung zum Hofe sich dadurch lösen, es war ihm erwünscht.
Als die Ausforderung nun andern Morgens eintraf, nahm er sie mit Freuden an, ließ sich aber nicht von Belgern, sondern von einem jungen Rechtsgelehrten secundiren und schoß seine erste Kugel dem Gegner durch das rechte Schulterblatt.
Das Duell erregte gewaltiges Aufsehen in der ganzen Stadt; es wurde indeß vertuscht, aus Rücksicht für den Ort wo es angesponnen, und weil man überhaupt gern Aufsehen vermied und Ignoriren in diesen wie in höheren Beziehungen als höchste Staatsklugheit gepriesen wird.
Lorle erfuhr die ganze Sache erst mehrere Tage später zufällig von Leopoldinen; sie schauderte vor dem was geschehen war und daß Reinhard ihr es verhehlen konnte. Sie begriff diese Welt nun gar nicht mehr: dort ein braver Mensch der Gottesläugnerei angeklagt; hier ihr eigener Mann, der sein Leben auf's Spiel setzte, wie einen Rechenpfennig. Sie ging mehrere Tage umher und sah allen Leuten verwundert in's Gesicht, als wollte sie sie fragen, ob denn die Welt bald untergehe?
In Reinhards Gegenwart war sie oft zerstreut und dann sah sie ihn wieder mit einem flehenden Blick an, der dringend bat: erzähl' mir doch Alles, ich kann nicht begreifen wie du dein Leben, das doch mir gehört, vor die Mündung einer Pistole setzen konntest, ohne mir Etwas davon zu sagen; und auch jetzt noch, da du der Gefahr entronnen, höre ich kein Wort. Bin ich denn gar nicht mehr da?
So sah sie ihn oft starr an und Keines redete eine Silbe.
Lorle half Leopoldinen so viel sie konnte, aber die Wackere und Starkmuthige war selten zu Hause; sie ahnte was kommen konnte, und um gegen jede Fährlichkeit gesichert zu sein, begann sie nun wieder ihr Putzgeschäft einzurichten.
In dem Hause des Bäckers, wohin Lorle ihrem Versprechen gemäß jetzt bisweilen ging, fand sie meist Erholung; hier war ein Leben voll Arbeit und Heiterkeit, man wußte hier so wenig von dem Wirrwarr, der da drüben in den anderen Kreisen herrschte, als läge diese Welt fern über'm Meere. –
Lorle, die sonst immer zu Hause geblieben und in sich selber Ruhe gesucht hatte, ging jetzt öfter aus, sie wollte sich vergessen, eine gewaltige Unruhe störte sie auf; sie war wie ein Vogel, der den Baum zur Erde gefällt sieht, auf dem er sein Nest gebaut hatte. –
Das Gesammtministerium bestätigte die Amtsentsetzung des Collaborators, jedoch ward ihm die Gefängnißstrafe erlassen. In dem kleinen Bierstübchen wurde »der Geburtstag des Privatmenschen Reihenmaier« würdig gefeiert. Der Neugeborne hielt sich selber die Rede, in welcher die bemerkenswerthe Stelle vorkam: »Sie irren sich, die Herren, sie wollen uns zu Lumpen machen, um dann ausrufen zu können: Seht Ihr's. Nur die Taugenichtse sind unzufrieden! Wir wollen's ihnen zeigen.«
Von dieser Zeit an studirte er emsiger als je. Viele glaubten, daß er mit einer neuen, noch nachdrücklicheren Schrift hervortreten werde; aber er behauptete, nicht zum Schriftsteller zu taugen. Er gab sich nun ganz seiner Lieblingswissenschaft, der Geologie hin. Scherzend sagte er einst zu Reinhard: »Ich bin ein Stück Prometheus, auf den Felsen verwiesen weil ich einen Funken Licht vom Himmel auf die Erde gebracht; aber ich bin nicht gefesselt und ich lasse mir das Herz nicht aushacken.«
Reinhard war nicht nur bei Hofe, sondern auch, wie ihm die Freunde erzählten, fast in der ganzen Stadt in Ungnade gefallen. In der Residenz, die wesentlich aus Beamten und Militär bestand, und wo es an natürlichen Erwerbsquellen mangelte, hatte sich bereits jenes Verderbniß der Badeorte eingenistet, daß Viele faullenzend von der Vermiethung ihrer Wohnungen an Fremde lebten, und wie sie sich vor denselben in kleine Stübchen zurückzogen, so ihnen auch sonst in Allem Unterthänigkeit bewiesen. Die Engländer hatten in Mißmuth fast sämmtlich die Residenz verlassen und Reinhard ward nun in den Augen Vieler ein Aergerniß. So wenig ihn alles dieß berührte, empfand er doch eine prickelnde Unbehaglichkeit in allen seinen Verhältnissen. Lorle litt dabei am meisten, denn er sagte oft im Unmuth: »Ich gehe zu Grunde, wenn ich hier bleibe, ich kann nicht hier bleiben und will und muß doch.« –
Lorle wußte gar nicht was sie beginnen sollte, sie bat, daß sie nach einer andern Stadt ziehen möchten; aber das wollte Reinhard wieder nicht.
Mitten in diesem Wirrwarr traf Lorle eine schwere Nachricht: ihr Vater war plötzlich am Schlage
Weitere Kostenlose Bücher