Schwarzwaelder Dorfgeschichten
nimmer sagen, was er vorbracht hat, und wie er sieht, daß es mir bitterer Ernst ist, klopft er mir auf die Achsel und sagt: Luzian, folget mir und schlaget Euch die Sachen aus dem Kopf, das Sprüchwort sagt: es ist kein Strick so lang, man findet sein End; das ist aber beim Pfaffenstrick nicht wahr. Darum muß man in der Religion die Leut' für sich machen lassen, was man denkt bei sich behalten, mögen Andere glauben was sie wollen. Luzian, sagte er, Ihr wisset so gut als ich, man muß das Brett bohren, wo es dünn ist, aber da sitzt eine Astwurzel, da bricht der schärfste Bohrer. Lasset Euch ja von Euren Gedanken daheim nichts merken, vor keiner Menschenseel'. Wir haben auf Euch gerechnet, Ihr müsset bei der nächsten Landtagswahl Abgeordneter werden, der Alte, der, wie Ihr wohl wisset, das ganze Land im Sack hat, hilft Euch auch, aber von Religion darf dabei nicht die Rede sein. Es kann Euch nicht fehlen; aber wenn das gemeine Volk merkt, daß Ihr ihm an seinen Glauben wollt, da ist's aus und Amen ... So redete der R. Was meinst Wendel? Wenn mir Eins in's Gesicht geschlagen hätt', es hätt' mir nicht weher than. Ich hab' still austrunken und bin heim. – So? Also auch die Leut', die thun, wie wenn ihnen der Teufel aus der Hand fressen müßt', die wollen in dem Stück von der Religion nicht 'raus mit der Farb', man fürchtet sich? Guck Wendel, ich hab' zu gar nichts mehr auf der Welt Zutrauen gehabt. Ich hab' austrunken und bin fort, heime zu, und es ist mir doch grad wie wenn ich auf der ganzen Welt nirgends mehr daheim wär', es geht mich Niemand mehr was an; ich geh aber die Straß' hin, wie wenn mich Eins fortschuben thät. Brennend heiß ist's über mich kommen: ja, ja, es hilft Einem kein Mensch auf der Welt, du mußt dir selbst helfen. Wenn ich nur wüßt' wo ich's anpack'. Jetzt ist mir's gewesen, wie wenn ich gestorben wär', die Leut laufen 'rum und wollen mich begraben und ich kann ihnen nicht zurufen, daß ich leb'. Jetzt hab' ich ausdenken wollen, wie's sein wird wenn ich gestorben bin, was meine Leut' machen und die Anderen, wie's im Dorf aussieht, was sie reden und treiben. Ich bin aber nicht weit kommen, da kann ich nimmer fort mit meinen Gedanken. Alles ist mit mir gringel'rum gangen, wie dazumal wie ich auf den Straßburger Münster 'naufgestiegen bin und ich gemeint hab', jetzt müss' ich mich 'nunterstürzen; ich hab' laut aufgeschrien, und ich hab' gemeint, ich werd' närrisch. Mein Lebtag hab' ich doch kein' Angst gehabt und jetzt ist mir's wie wenn aus jedem Busch Einer käm' und schießt mich todt, da liegst du. Jeder Steinhaufen am Weg kommt mir wie ein Unthier vor, das da liegt und nur wartet, bis ich dort bin und dann aufschnappt. Ich hab' beten wollen und hab' nicht können ....«
»Ja, Luzian, das sind die Geburtswehen, dazumal ist der alte Luzian gestorben und der neu' auf die Welt kommen,« schaltete Wendel ein.
»Horch, paß auf,« fuhr Luzian fort: »Wenn mich jetzt der Tod streckt, hat mir's doch eine Menschenseele abgenommen. Es ist lang Nacht, kein Stern am Himmel und auf allen Zinken und Ecken flimmert ein Licht aus den einzechten Häusern und wo ich an einem Haus an der Straß vorbeikomm', da hör' ich beten. Ich steh manchmal still, und es friert mich und ist doch gar nicht kalt. Die Hunde bellen und geben kein' Ruh, die Leut' gucken zum Fenster 'raus und beten weiter und schauen was es giebt; fort, fort bin ich wie ein Galgendieb, es war mir wie wenn ich den Leuten was aus ihrem Gebet gestohlen hätt'. Jetzt fängt es sachte an zu regnen, es säuselt nur so herab, der Kopf hat mir brennt und das hat mich ein bisle abkühlt. Ich bin so meines Weges fort und es hat sich mir ein Lied durch die Seel' gesprochen, das die Mutter singt:
Alte Welt, Gott gesegne dich,
Ich fahr' dahin gen Himmelrich.
Ich hab' nun gar nichts Anderes im Sinn gehabt als die paar Worte, die haben sich immer allein gesungen und es ist mir gewesen wie wenn mich Eines nach der Weisung von dem Lied am Leitseil halten thät', und da ist mir's wieder sterbensangst worden und ich hab' laut aufgeschrieen und bin selber erschrocken wie's im Wald widerhallt. Der Regen ist stärker kommen und es hat nur so pflatscht, und ich hab' dir kaum einen Fuß heben können, meine Kniee sind wie abbrochen; ich schlepp' mich noch fort bis zu dem Steinbruch, wo du das ganze Jahr schaffst; unter deinem Strohdach dort hab' ich mich auf die Steine hingelegt. Ich hab' kein' Müdigkeit mehr gespürt, wie ich so da
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