Schwarzwaelder Dorfgeschichten
lieg', aber doch ist mir's wie wenn ich von der ganzen Welt ausgestoßen wär', ich hab' keine Frau und keine Kinder und kein Haus, nichts, nichts – und unser Herrgott droben verläßt mich auch. Da hab' ich unsern Herrgott bittet, er soll mir ein Zeichen geben, ein Zeichen, was es sei, daß ich weiß, ich bin nicht auf dem unrechten Weg. Still hab' ich hingehorcht, ob nichts kommt; es läßt sich aber nichts hören, als der Regen, wie er durch die Bäume rieselt und rauscht, wie wenn Blatt und Zweig zu einander sagen thäten: es schmeckt gut und frisch, laß dir's wohl bekommen, ich hab' auch mein Theil. Jetzt spricht sich wieder das alte Lied:
Alte Welt! Gott gesegne dich,
Ich fahr' dahin gen Himmelrich.
Wie ein Blitz ist mir's jetzt aufgangen: das ist noch alter Aberglaube von dir, daß du ein Zeichen willst; es ist erlogen, daß je Einer eins bekommen hat, sonst müßt's jetzt auch sein und da hätt' unser Herrgott viel zu thun. Was Engel! Giebt's keine Teufel, so giebt's auch keine Engel. Sind einmal Wunder geschehen, so müßten sie auch jetzt vorkommen, weil aber jetzt keine geschehen, so sind auch nie keine geschehen. Sag du, Bibel, was du magst. Und jetzt wird mir's auf einmal, wie wenn ich in lauter Seligkeit schwimmen thät': du willst rechtschaffen sein! hab' ich laut vor mich hingesagt und Alles hat mir in Freuden gelacht wie lauter liebe Menschengesichter, die ich seh' und die ich doch mit keinem Aug' erblickt hab', und jetzt hab' ich's ganz deutlich gespürt: ja, ich bin auf dem rechten Weg ... Ich kann dir nicht sagen, wie mir's war, aber so wie wenn mich unser Herrgott selber geküßt hätt', und ich bin aufgesprungen und hätt' gern jetzt die ganze Welt glücklich gemacht. Ich hab' gewußt und weiß es, ich bin nicht schlecht und will nicht schlecht sein. Was will ich denn? Könnt' ich nicht in Fried' und Ehren leben, wenn ich den Aberglauben sein ließ'? Aber ich darf nicht und will nicht. Ich hab' mich wieder umgelegt, ich mag nicht heim, mir ist so wohl da draußen wie wenn ich vom Tod auferstanden wär'; so glücklich bin ich noch nie gewesen wie da in der Stund.«
»Du bist ja dagelegen wie der Erzvater Jakob auf dem Stein, wo er gesehen hat wie die Engel auf einer Leiter auf und nieder steigen vom Himmel,« bemerkte Wendel schalkhaft; Luzian aber erwiderte ernst:
»Was! auf und nieder steigen von dem Himmel! das ist ja auch alter Aberglaube, daß auf dem blauen Deckel da oben unser Herrgott sitzt. Nein, mir ist's anders gewesen, rings 'rum um die ganze Welt giebt es Menschen, freie, gute, die sind mir lieber als die Engel die auf und absteigen. Ich bin gleich fertig, ich muß dir auserzählen. Erst gegen Morgen bin ich heimkommen und meine Leut' haben nicht gemerkt, warum ich von da an so heiter gewesen bin, der Ahne hab' ich's so halb und halb berichtet. Ich will mich nichts berühmen, es könnt' ein Jedes braver sein, wenn es sich ehrlich fragt; aber von dem Tag an hab' ich mit Wissen und Willen gewiß keinem Menschen was Leids than und hab' geholfen wo ich kann. Drum bin ich jetzt so heiter. Guck, die Pfaffen die plagen Einen immer mit unserer Sündenschuld, ja freilich es hat ein Jedes sein Bündele, aber man kriegt' mehr Kraft, wenn man Einem sagen thät: freu dich an dem Rechtschaffenen was du than hast. Wenn man's betrachtet, will's eigentlich nicht so viel heißen und man thut weiter. Guck, das Blut könnt' ich theilen mit meinen Nebenmenschen und ich schäm' mich, wenn sie sich für einen guten Dienst bei mir bedanken, und da soll ich mir von dem Pfaff sagen lassen: das sei Alles für die Katz, wenn man den rechten Glauben nicht hat? Nein, und neunzigmal nein. Wenn ich nicht vor mir selber sagen kann, du willst rechtschaffen sein, da bin ich verloren. Erst heut hab' ich meiner Bäbi Unrecht than und ...«
In diesem Augenblick hörte man ein Geräusch in der Küche. Das Schubfensterchen, das nach der Stube führte, ging ganz auf, eine Pfanne fiel lärmend auf den Steinboden. Luzian setzte nur noch hinzu: »Aber das ist jetzt vorbei.«
»Du guter Kerle,« schloß Wendel, »du hast dich hart angriffen und plagt, bist 'rum gelaufen wie ein verscheuchter Dieb und ist doch gar nicht nöthig gewesen. Narr, was man nicht verheben kann, das läßt man liegen. Ich hab's viel kürzer gemacht. Wie ich zu Verstand kommen bin und es hat Vieles nimmer 'nein wollen, da hab' ich's halt draußen gelassen mit aller Ruh. Mag die Bibel und Alles, was da davon herstammt, sehen, wo es ein
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