Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Treppenaltan; er hatte Viel auf dem Herzen.
»Mutter, warum redet Ihr denn auch kein Sterbeswörtle?« begann Egidi.
»Ich bin ganz wirbelsinnig worden und so krottenmüd, ich mein', es trag' mich kein Fuß mehr. Was hast denn?«
»Mutter, der Vater ist gewiß der bravste Mann unter'm weiten Himmel, aber zu Euch darf ich ja mein Herz ausschütten, es wird ja nicht verfremdet. Mutter, das thut kein gut, das kann kein gut thun. Der Vater will der Peterling (Petersilie) auf allen Suppen sein und da wird man verschnipfelt, daß zuletzt gar nichts mehr an Einem ist. Er möcht' gern Alles rump und stump auf Einen Wagen thun, aber man muß nicht über die Leitern laden, sonst keit (wirft) man um. Er hat den neuen Pfarrer zum Ort 'naus haben wollen, ich hab' auch mit unterschrieben, wie nachgar alle im Ort; aber jetzt geht's einmal nicht, die Regierung ist Meister, und jetzt muß man dem Wasser den Lauf lassen. Freilich, es hat mich auch gottvergessen geschnellt, wie der Pfarrer auf den Vater angespielt hat, daß man's hat mit Pelz-Handschuhen greifen können wen er meint, aber in der Kirch', da ist doch der Platz nicht, wo man so einen Randal verführt.«
Die Mutter nickte immer rasch mit dem Kopfe und preßte die Lippen zusammen, die keine Gegenrede laut werden ließen.
Egidi fuhr fort: »Und was soll denn aus den Kindern werden, wenn sie sehen, daß man so den Pfarrer anschnurrt und nur noch fehlt, daß man ihm eins in's G'fräß giebt? Da ist kein' Heiligkeit und kein Glaube und kein Gehorsam mehr. Der Vater ist mein Vater, aber unser Herrgott ist vor ihm mein Vater. Er hat jetzt lauter große Kinder, ich hab' aber vier kleine, ich muß es wissen; man kann keine Kinder gut aufziehen ohne Gottesfurcht. Unser alter heiliger Glaube muß fest eingepflanzt sein, es kommt eh' man's versieht, so schon Manches davon, wie's nicht sein sollt'. Ich sag's ja, es ist die Zeit vom Antichrist, der Sohn muß gegen den Vater sein. Mutter, jetzt so mein' Ich, wie müssen nun erst die Anderen denken? Ich sag' das nur zu Euch. Wir müssen jetzt Zusammenhalten, Mutter, sonst geht bei so schweren Zeiten Alles hinterling. Man weiß ja ohnedem nicht, wie man ungeschlagen über den Berg 'naus kommen soll. Drum mein' ich, der Vater muß nachgeben und muß von den unnöthigen Sachen lassen; er verrechnet sich, wenn er glaubt, daß die Gemeinde zu ihm steht; ich möcht' Alles verwetten, er bleibt allein und Ein Vogel macht keinen Flug. Wir stehen in Ehren da, und wir brauchen uns keine Unehre holen wegen anderer Leut'. Wenn nur alle Bücher verbrannt wären, eh' eins über's Vaters Schwelle kommen ist. Jetzt wie, Mutter? Warum redet Ihr denn nicht?«
»O du!« rief die Mutter, und stieß dem Sohn die geballte Faust auf die Brust, daß er zwei Schritte von ihr wegflog, »o du lummeliger Trallewatsch, du, du schwatzst ja 'raus, wie ein Mann ohne Kopf. Wo bist denn du her? Du hättst ja ohne deinen Vater nicht den Löffel in der Tischlade verdient. Du willst über deinen Vater 'raus langen? Er ist zu gut gegen dich gewesen, er hätt' dir sollen die Raufe höher henken, dann wärst ihm nicht so vonderhändig. Du willst den Frommen spielen und deinen Vater zum Nichtsnutz machen? Wer kann ihm was nachsagen? Dein Vater ist kein so pulveriger Hitzeblitz wie du meinst, du frühbieriger Katzenmelker du. Er weiß was er thut. Da mußt du siebenmal drum 'rum gehen, eh' du den Verstand davon kriegst; das darf man nicht so leicht weg über's Haus 'naus werfen. O du lieber Herr und Heiland im dritten Himmel droben 'rab, was sind das für Zeiten! Es giebt keine Kinder mehr. Blut wird nicht zu Wasser, sagt man sonst, das ist auch nimmer wahr; von den eigenen Kindern wird man verschimpfirt und hat kein Hülf'. Da möcht' man ja Blut greinen; gang mir aus dem Weg du.« Sie weinte und schluchzte in ihre Schürze hinein.
Egidi suchte sich zu vertheidigen, es half aber nichts, sie sagte immer: »Gang mir aus dem Weg. Was thust du da? du gehörst nicht daher.«
Da Egidi Männertritte von der Stube her vernahm, ging er davon; er konnte doch jetzt seinem Vater nicht vor Augen treten.
Während dies auf dem Treppenaltan sich zutrug, hatte Bäbi in der Küche eine ganz andere Unterredung mit Paule. Dieser hatte schon unterwegs noch im Hengstfelder Walde die Angelegenheit des Tages erfahren, da ihm Einer aus dem Orte begegnete, der ihn mit den schonenden Worten stellte: »Weißt auch schon von deinem Schwäher?« Zum Tode erschrocken vernahm Paule das Ereigniß und
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