Schwarzwaelder Dorfgeschichten
eilte dann so rasch über den zur Zeit verbotenen Wiesenweg, daß sich kaum das Gras unter seinen Füßen bog. Er stellte sich die Sache und ihre Folgen noch viel schlimmer vor; er wußte nicht wie, und war nun beruhigter, Alles in gewohntem Gleise zu finden; daß aber durch das unterlassene Aufgebot die Hochzeit heut über acht Tage nicht stattfinden konnte, machte ihn ganz wild. Er wollte sogleich zum Pfarrer und ihn bitten, noch am Mittag das Fehlende nachzuholen, Bäbi aber hielt ihn zurück, indem sie sagte:
»Bleib', er thut's doch nicht und du kriegst nur auch noch Händel, und ich möcht' auch um die Welt nicht schon jetzt fort und meinen Vater verlassen. Ich könnt' mir alle Adern schlagen lassen für ihn, er ist jetzt mein Einziges.«
»Und ich? ich gelt' gar nichts?« fragte Paule.
»Paule, du bekommst jetzt ein ganz ander Weib. Ich kann dir's nicht so sagen. Könnt' ich nur mein Herz aufmachen und dich 'nein sehen lassen, aber ich weiß wohl, das sind Gedanken, die kann man nicht sehen. Du wirst's aber schon erfahren. Ich möcht' jetzt ein' ganz andere Sprach' haben, ganz andere Wort', ich weiß nicht wie, ich kann gar nichts reden. Guck, bis heut Nachmittag bin ich ein Kind gewesen, und da bin ich auf einmal aufgewacht, wie wenn ich mein' Lebtag geschlafen hätt'! Du mußt nicht lachen, ich kann halt nicht reden; und wenn's auch hinterfür 'raus kommt, es ist doch nicht so. Die alt' Bäbi, die findest du nirgends mehr, aber du machst doch einen guten Tausch.«
»Laß dich beschauen,« entgegnete Paule, die zur Erde Blickende am Kinn fassend, »du bist doch noch die Bäbi, die uralt'; wenn mir recht ist, ich mein' ich hätt' dich schon einmal gesehen, geht dir's nicht auch so? Ich weiß nur nicht, wo ich dich hinthun soll. Aber du siehst ja heut so glanzig aus, wie geschmälzt, ich will's einmal verkosten.«
Er küßte sie gewaltsam, aber Bäbi schüttelte sich, als ob sie's grausele, dann rief sie: »Um Gotteswillen, Paule, mach' jetzt keine Späß!«
»Hu, man wird dich doch anrühren dürfen,« entgegnete Paule, »du thust ja, wie wenn dir ein Frosch in's Gesicht gesprungen wär', du verwunschene Prinzessin.
Wenn du mich nicht magst, kannst mich noch laufen lassen. Ich will dir nicht überlästig sein.«
»Paule, versündig' dich nicht. Ich kann jetzt halt gar nichts mehr denken als meinen Vater, der ist jetzt mein Einziges.«
»So heirath' deinen Vater,« entgegnete der Zornige und wendete sich ab.
»Paule,« bat Bäbi wieder, »wenn ich dich beleidigt hab', verzeih mir's, ich will ja keinen Menschen kränken, und dich gewiß nicht, bittet ja ein Vater sein Kind ... Paule, guck um, sieh mich an; es ist sündlich wenn man nur eine Minut' einander weh thut, verzeih mir, da hast meine Hand.«
Paule hatte wahrscheinlich noch Weiteres erwartet, daß Bäbi auf ihn zukomme und ihn umhalse; als sie das nicht that, verließ er, trotzig mit den Füßen schleifend, die Küche, und begann ein Lied zu summen. Weil ihn Bäbi um Verzeihung gebeten hatte, glaubte er, sie habe ihm schwer Unrecht gethan, und er wußte doch nicht recht was. Er wollte gleich wieder heim, im Hofe aber besann er sich eines bessern, musterte den Stall und unterhielt sich mit den Knechten.
So war auf zwei Seiten im Hause Mißhelligkeit ausgebrochen, Luzian allein saß ruhig bei der Ahne.
»Du mußt jetzt das Herz in all' beide Hände nehmen,« sagte sie, »schick' du mir nur die Leut' her zu mir, ich will's ihnen schon ausreden, was man mit so einem Pfarrer anfangt. Wenn nur mein Vater noch leben thät, der wär' der Mann für dich, aber mein Vater ist todt, und der Kaiser Joseph ist vergiftet.«
Luzian wollte hier das Ende der Mittagskirche abwarten, aber er war so voll Jast, daß er nicht ruhig auf dem Stuhle sitzen konnte; er ging daher fort. Als er auf der Treppe seine Frau so betrübt sah, sagte er: »Sei ruhig, Margret, es ist noch nicht Alles hin, das Bettelhäusle steht noch. Wo ist der Egidi?«
»Laß ihn laufen, er ist in's Dorf.«
In der Frau war eine seltsame Wandlung vorgegangen. Anfangs war sie böse auf ihren Mann und gar nicht gewillt, ihm beizustimmen: wer Haus und Kinder hat, hat Sorgen genug, was braucht der sich Anderes aufzuladen. So dachte sie. Als aber Egidi sich so viel herausnahm, durfte sie das von dem Kinde nicht dulden. Was anfangs Widerspruch gegen das Kind war, das schien nach und nach sich als ihre Meinung festzusetzen. Wenn die Welt gegen ihren Mann sein sollte, dann war sie gewiß auf seiner
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