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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Spitzen, die offenbar bestimmte Persönlichkeiten und Vorkommnisse treffen mußten. Nur eine geweihte Hand konnte hier die Feder geführt haben. Die Geschichte Luzians bildete nicht unbedeutenden Anlaß zu den schärfsten Ausfällen. Trotzdem diese Aufsätze unter Censur erschienen waren, erließ dennoch der Bischof ein Umlaufschreiben, in welchem er die ganze Klerisei des Sprengels aufforderte, mit Bekräftigung des Priestereides in einem anliegenden Reverse zu bezeugen, daß sie weder mittelbare noch unmittelbare Urheber jener Aufsätze seien. Dieses geheime Umlaufschreiben, gleichfalls wenige Tage nach dessen Erlaß in derselben Zeitung als Beweisstück der Kirchentyrannei veröffentlicht, erregte gewaltige Aufregung unter Priestern und Laien.
    Unser Pfarrer war schon mehrere Tage mit sich im Kampfe, was er zu thun habe. Er war weit entfernt von dem Widerstreben Vieler, die dem Bischof das Recht absprachen, einen solchen Revers zu verlangen und sich nun dessen weigerten, trotzdem und weil sie sich ihrer Unschuld bewußt waren; im Gegentheil, unser Pfarrer war von ganz anderen Bedenken in Schwankung gebracht. Vorerst zuerkannte er dem Bischof das volle Recht seiner Maßnahme, ja er behauptete, daß Jeder, der um die skandalsüchtige Urheberschaft wisse, verpflichtet sei, frei aus sich heraus solche anzuzeigen, und: du sollst den Namen Gottes deines Herrn nicht vergebens aussprechen. Wer um eine Sache weiß und zugiebt, daß ein Anderer einen unnöthigen Eid schwört, macht sich dieses Vergehens schuldig. Unser Pfarrer kannte den Urheber nach seiner zuversichtlichen Ueberzeugung. Mußte er diesen nicht kund geben und allen unnöthigen Eidschwur und alle Aufregung niederschlagen?
    Daß der Urheber sein Freund war, daß er ihn daran mit Bestimmtheit erkannte, weil in den Aufsätzen Ausdrücke gebraucht waren, die der Freund mehrmals in vertraulicher Rede im Munde geführt, durfte ihn das abhalten, den beschworenen Eid des Priestergehorsams zu brechen?
    Nur Eines that unserm Pfarrer aufrichtig leid und erfüllte ihn mit längerem Bedenken. Er hätte gewünscht, daß seine eigene Angelegenheit im Dorf nicht in jene Aufsätze verflochten wäre, damit ihn Niemand niedriger Rachsucht oder sonstiger unlauterer Motive zeihen könnte. Dies war der Punkt, wo seine sonst feste Verfahrungsweise in Schwanken gerieth. Aber die so nahe liegende Furcht vor Mißdeutung erfüllte ihn bald mit neuem Kampfesmuth ... »Wie?« sagte er, »soll ich unterlassen, was Eid und Gewissen mir befiehlt, weil ich dadurch in falsches Licht gerathen kann? Grade deßhalb muß ich's desto zweifelloser über mich nehmen. Was wäre die Erfüllung der Pflicht, wenn sie kein Opfer kostete?«
    Mit fliegender Feder schrieb er die Denunciation an das bischöfliche Amt nieder, und unmittelbar darauf einen Brief an Rollenkopf, worin er ihm offen sein Verfahren gestand, damit er niemand Anders als seinen Angeber im Verdacht halte. Rollenkopf ließ diesen Brief ohne Erläuterung oder Bemerkung einfach in der Landeszeitung abdrucken. Wenige Tage darauf war er seines Amtes entsetzt.
    Es gab wohl Manche, die den Heldensinn unseres Pfarrers und seine Großthat lobten, noch weit mehr aber fand man darin jene Starrheit und jenen Verrath an Allem, was die unbedingte Tyrannei erheischt. Ja selbst die Frommen, die die That lobten, konnten doch nicht umhin, einen gewissen Abscheu gegen den Thäter zu empfinden. So verwirrt und uneins ist unsre Zeit, daß man auf allen Seiten Thaten wünscht, die man selbst nicht vollziehen möchte.
    Unser Pfarrer war nun Gegenstand des öffentlichen Streites in allen Blättern, und dies war der Hauptgrund, warum er die Schlägerei Luzians nicht bei den Gerichten anhängig machte, sondern auf alle Weise zu vertuschen suchte. Es mußte ihm darum zu thun sein, so gerecht und schwer gekränkt er auch dabei erschien, doch nicht entfernt mit Thatsachen genannt zu werden, die einen Makel im Rufe lassen, fast in der Weise wie die blauen Mäler, die er noch auf den Armen und an der Stirne davon behalten hatte. Ein Geprügelter ist immer in einer mißlichen Lage; so himmelschreiend unrecht ihm auch geschah, das gemeine Handgemenge schon zieht herab. Unser Pfarrer mußte und wollte sich auf seiner idealen Höhe erhalten.
    Eben jetzt saß der Pfarrer nachdenkend in seiner Stube. Er hatte das Zeitungsblatt in der Hand, welches berichtete, daß Rollenkopf, weil er nicht genügende Subsistenzmittel nachweisen konnte, aus der Hauptstadt nach seinem

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