Schwarzwaelder Dorfgeschichten
verwildert, wie jähzornig und bald wieder so viel alleinredend war ihr Mann!
Mehr als je standen diese Menschen in Reichthum und Ueberfluß, aber Kummer und Schmerz verließ sie nie – Martha konnte Nichts mehr arbeiten und wurde immer trübsinniger, tagelang saß sie in sich zusammengekauert und betrachtete stieren Blickes die todten Finger an ihrer rechten Hand; nur Fränz war glücklich, zumal da sie hörte, daß man im Sommer nach dem Bade reiste, und zwar gerade nach dem Orte, wohin der Amtsverweser versetzt war.
Martha hatte insgeheim und durch dritte Hand dem alten Schäferle manche Gabe zukommen lassen, aber er wies Alles zurück; er war den ganzen Tag beim Abräumen des Schuttes und suchte nach den Gebeinen seines Sohnes, von denen er nichts fand, als den halbverbrannten Schädel und ein Stück des Oberarmes.
Martha wagte es eines Abends, den verlassenen Mann aufzusuchen.
»Ich will nichts von Euch,« rief der alte Schäferle der Eintretenden entgegen.
»Aber ich will was von dir,« entgegnete Martha, »da sieh, was ich für todte Finger hab'. Du mußt mir helfen.«
Der alte Schäferle, dessen geheime Kunst aufgefordert war, die er seinem Vater an Freund und Feind zu üben versprochen hatte, näherte sich, wenn auch langsam, betrachtete die Hand lange, hauchte dreimal darauf und murmelte dabei unverständliche Worte. Martha bewegte schon die Finger besser auf und zu, und der Schäferle sagte:
»Der Hund da, der Paßauf, kann Euch helfen. Lasset ihn nur bei Euch im Bett schlafen.«
Martha wehrte sich gegen dieses Mittel, gerade der Hund des verbrannten Medard war ihr ein Schrecken, und sie dachte nicht, daß ein anderer kurzhaariger ebenso dienlich gewesen wäre; sie verstand sich eher zu den andern Mitteln, die darin bestanden, Turteltauben im Zimmer zu halten und im Neumond drei Blutstropfen aus den drei Fingern auf Baumwolle aufzufangen und solche in eine junge ab dem Wege stehende Weide einzuspunden.
In der That wurde Martha von nun an viel belebter und heiterer, und sie rieth oft ihrem Manne, wegen seines Fröstelns den alten Schäferle zu befragen, ja sie befragte diesen von selbst über den Fall; aber der alte Schäferle, der wußte, wem es galt, behauptete, nicht helfen zu können, bevor der Mann selber zu ihm käme. Diethelm aber wollte sich nicht dazu verstehen, und wenn ihn seine Frau über seine unruhigen Nächte ausfragte, redete er ihr ein, das viele Geld im Hause mache ihm bange; er durfte ihr ja nicht sagen, wie nicht die Sicherung seines Geldes, sondern die Wahrung seines Geheimnisses ihn oft in der Nacht aufschreckte, und wie es ihm oft war, als hörte er Peitschenknallen, Wagenrasseln, und als kämen plötzlich die Häscher, um ihn auf's Neue einzufangen. Jedesmal in der Nacht, wenn der Eilwagen durch das Dorf fuhr, erwachte er; er hoffte wieder Ruhe zu finden, wenn er aus dem lärmenden Dorfe weg sei und wieder auf seinem stillen Berge wohnte.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
An der Hochzeit des jungen Kübler mit der Bruderstochter Diethelms, die dieser reichlich ausstattete, zeigte sich was die berittene Mannschaft zweier Dörfer verprassen kann, und noch dazu, wenn es auf fremde Kosten geht; dem Diethelm war nichts zu viel und er ermunterte noch Jeglichen zu Essen und Trinken. Das Faß Uhlbacher wurde richtig ausgetrunken und Diethelm, dem der Arzt seinen Leibwein verboten hatte, machte heute eine Ausnahme und half wacker mit, denn er verband mit diesem Tage noch ein zweites Fest.
Seit acht Tagen war Munde vom Militär heimgekehrt, er war frei und hatte nur noch drei Jahre die gewöhnlichen Herbstübungen mit zu machen. Da Diethelm Schultheiß geworden war, mußte ihm Munde seinen Urlaubspaß übergeben; er wartete ab, bis Diethelm mit dem Gemeinderath auf dem Rathhaus war, übergab dort das Schriftliche ohne aufzuschauen und nannte ihn stets »Herr Schultheiß.« Diethelm hielt gerade ein Anschreiben vom Amte in der Hand als Munde eintrat und sprach. Von heftigem Schreck erfaßt, starrte er eine Weile hinein in das Papier, auf dem die Buchstaben seltsam in einander krochen. Der Klang der Bruderstimme hatte Diethelm mächtig erschüttert. Die Einbildungskraft kann sich zu Leid und Freud das ganze Wesen und Gehaben eines Verstorbenen in die lebendige Erinnerung stellen, Eines aber vermag sie nicht aus sich zu erwecken: es ist der Klang der Stimme des Abgeschiedenen, nur ein Ton von außen ruft ihn wach. Und wie jetzt Diethelm die Bruderstimme hörte, drang sie ihm in's
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