Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Herz, so daß plötzlich alles Verborgene und gewaltsam Zurückgedrängte vor ihm stand.
Diethelm faßte sich und sagte endlich, das Papier niederlegend und sich zurücklehnend:
»Was willst du jetzt anfangen, Munde?«
»Ich werd' schon sehen,« antwortete Munde und grüßte soldatenmäßig. Diethelm aber rief ihm noch nach:
»Komm zu mir in's Waldhorn, Munde, ich hab' dir was Gutes zu sagen.«
»Das Gescheiteste wär', du gäbst ihm dein' Fränz,« sagte der Schmied hinter dem Weggegangenen, »sie haben sich von je gern gehabt und es schickt sich g'rad für dich, Einem der nichts hat deine Tochter zu geben, und einen braveren und schöneren Tochtermann kannst du nicht kriegen.«
Diethelm schwieg und nahm die Gemeindeverhandlungen wieder auf. Am Mittage erzählte er seiner Frau, daß er den Munde herbestellt habe und es sei wohl möglich, daß er seinen Vorsatz ausführe und ihm die Fränz gebe. Martha war glückselig mit diesem Vorhaben und sagte, daß dann gewiß wieder Alles gut werde und daß auch die Seele des verstorbenen Medard Ruhe haben werde, wenn sein liebster Wunsch erfüllt sei. Diethelm nickte zufrieden, aber drei Tage lang ließ sich Munde nicht sehen und Diethelm war voll Zorn gegen ihn und verbot Frau und Tochter ein Wort »mit dem Bettelbuben« zu reden. In sich aber überdachte er, daß es wohl klüger sei, dem Munde die Fränz nicht zu geben, diese Großmuth konnte leicht verdächtig erscheinen und als Gewissensangst gedeutet werden; dennoch muthete ihn der Gedanke einer Sühne in Erfüllung des Versprechens gegen den Todten tröstlich an. »Dann ist ja Nichts geschehen – sagte er sich – als ein paar Jahre verkürzt und das hätte sich der Medard gern gefallen lassen für das was seinem Bruder zukommt, er hat ihn ja immer so gern gehabt.« Ueberdem war es Diethelm unerträglich, daß noch irgend ein Mensch außer dem altersschwachen Mann an seine Schuld glaubte. So lange noch ein solcher Mensch auf der Welt lebte, meinte er keine Ruhe zu finden.
Munde hatte seinem Vater erzählt, wie zutraulich Diethelm gegen ihn auf dem Rathhaus gewesen.
»Ich weiß was er vorhat,« sagte der alte Schäferle, »er will dir seine Fränz geben.«
»Vater, was machet Ihr?« rief Munde hochentflammt.
»Kannst dich drauf verlassen,« fuhr der alte Schäferle gelassen fort, »er will sich loskaufen.«
Munde mußte aber und abermals hören, wie unerschüttert der Vater an die Schuld Diethelms glaubte, er wehrte sich mit aller Macht dagegen, aber der Vater blieb standhaft und sagte:
»Ob er Blutschuld auf sich hat, weiß ich nicht gewiß, aber so gewiß als der Himmel über uns ist und nichts auf der Welt verborgen bleibt, hat er mit angezündet. In alten Zeiten hat ein Bruder nicht geruht, bis er für das Blut seines Bruders Rache genommen hat. Kannst du hingehen und die Tochter von Dem heirathen? Nein. Weißt was, komm her,« sagte der alte Schäferle aufstehend und holte einen Rock aus dem Schranke, von jenen Kleidern, die ihm Medard zur Herbstzeit in der ersten Furcht übergeben hatte, »da, komm her, zieh den Rock an und setz' den Hut auf und geh hin zum Diethelm und betracht' dir ihn genau was er macht. Du siehst dem Medard gleich wie er vor Jahren ausgesehen hat, geh, mach's.«
Munde ließ sich nicht dazu bewegen, er faßte den weißen, rothausgeschlagenen Rock des Bruders und weinte bittere Thränen darauf, indem er dem Vater erzählte, daß auch gegen ihn Medard den Verdacht ausgesprochen und daß er mit einem Schlag in's Gesicht von ihm geschieden sei. Dieses Letzte besonders that ihm so weh, daß er so grimmzornig von seinem Bruder auf ewig geschieden sei. Munde hatte sein weiches sanftes Gemüth bewahrt und er streichelte den Rock als deckte er noch den, der ihn einst trug. Drei Tage kämpfte Munde einen schweren Kampf mit sich und mit dem Vater. Der Gedanke, Fränz zu besitzen, entflammte ihn! und wenn er wieder dachte, daß er ewig um den Mann sein und ihn Vater nennen solle, der vielleicht am Tode seines Bruders schuld war – die Asche des Bruders lag auf all dem großen Besitzthum. Aber was kann Fränz dafür? Es ist nur eine alte Dorfgewohnheit, daß das Kind die Schande erdulden muß, die auf dem Vater ruht, und ist nicht Diethelm freigesprochen und hochgeehrt?
Am dritten Abend als Munde das Dorf hinaufging, begegnete er Fränz, sie reichte ihm froh und innig die Willkommshand, aber es mochte seine ganze Gemüthsverfassung zeigen, daß das Erste was Munde sprach, dahin lautete: er
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