Schwarzwaelder Dorfgeschichten
geben.«
Franz war eine zufriedene stille Natur, die sich mit Denken nicht viel zu plagen hatte. Dabei war er äußerst karg und hatte seine Hauptfreude an baarem Gelde.
Am Sonntag Morgen saß Alles schön geschmückt und zum Kirchgange bereit lange vor Beginn desselben im elterlichen Hause. Brosi schnitt von den Stockscherben, die ein unberührbares Heiligthum waren, die schönsten Nelken ab und schenkte sie seiner englischen Söhnerin. Es läutete zum Erstenmal zur Kirche, und man wollte sich auf den Weg machen, um sich noch vorher gehörig bewundern und begaffen zu lassen. Brosi freute sich besonders darauf, seiner Söhnerin auch zu zeigen, daß er in der Gemeinderathsbank sitze; da sagte Severin:
»Meine Frau geht nicht mit uns.«
»Warum?«
»Sie ist evangelisch.«
Alles zuckte zusammen, und eine Weile war es so still in der Stube, daß man nichts hörte, als das Picken der Wanduhr und ein schnelles Athmen Brosis.
Endlich sagte er aufstehend und sich vor Frost die Hände reibend:
»Kommet in Gottes Namen. So gehen wir allein. Oder hast du auch deinen Glauben abthan?«
»Nein,« sagte Severin und ging mit dem Vater, der nach der Söhnerin, die er so sehr geliebt hatte, nicht mehr umschaute.
In das seligste Glück riß die Spaltung über Glaubensmeinungen, die der ganzen Menschheit schon so viel Unheil bereitet, einen tiefen Riß.
Brosi, der allen Menschen triumphirend in's Auge hatte sehen wollen, ging mit niedergeschlagenem Blick nach der Kirche. »Nicht katholisch und nicht einmal reich,« sprach es in ihm, und er zuckte zusammen.
In der Kirche sang er wiederum laut mit, als müßte er seinen eigenen Glauben doppelt festhalten und verkünden, dann saß er still niederschauend und drückte manchmal mit der Hand fest die Augen zu.
Er mußte aber doch eine Beruhigung gefunden haben, denn als er neben dem nachdenklichen Severin aus der Kirche ging, sagte er:
»Das hast nicht recht gemacht, du hättest nicht über den Sonntag bei uns bleiben sollen. Es hätten's nicht alle Leute zu wissen brauchen.«
Als er heimkam, sah er Agy aus einem schwarz eingebundenen Buche lesen, er schaute hinein und erblickte schöne heilige Bilder. Agy las nur noch wenige Zeilen, dann stand sie auf und machte eine tiefe Verbeugung. Brosi reichte ihr die Hand und fühlte den warmen Druck von der Hand seiner Söhnerin. Seine Finger waren kalt und sie erwärmten sich.
In dieser stillen Handreichung lag in diesem Augenblicke eine Verständigung und ein Religionsfriede, der der ganzen Welt zu wünschen wäre.
Am Mittag nahm Brosi alle seine Kinder mit nach der Gipsmühle. Er stand einmal am Wege und ließ Kinder und Enkel an sich vorbeiziehen, um zu überschauen, wie reich sich sein Leben ausgezweigt hatte. Wie oft war er diesen Weg einsam gewandert. Auf den Wunsch Agy's wurden helle Lieder angestimmt, die im Walde widerhallten. Noch fühlte Brosi eine leichte Bedrückung von dem überwundenen Schmerz, den er heute empfunden, und auch laut nun das Letzte abschließend, sagte er:
»Es ist doch nur Ein Gott, der die Sonne scheinen und die Bäume wachsen läßt, und er weiß doch wie es gemeint ist, ob man so oder so zu ihm betet.«
Er sang dann so laut mit, daß seine Stimme Alle übertönte.
Severin sah allein bis auf den Grund der mächtigen Bewegung, die in seinem Vater vorgegangen war; er freute sich dessen, aber ihm solches kund zu geben, fand er die rechten Worte nicht und hielt es schließlich auch nicht für nöthig.
Der Gipsmüller, der krank in einem großen Armsessel saß, freute sich hoch über die Ankömmlinge. Severin und Agy mußten sich zu ihm setzen, daß er sie genau sehe, denn er litt auch an schwachen Augen.
Beim Gipsmüller traf man zufällig »die geschickte Wittwe«, die sich Franz schon längst gewünscht, die ihm aber einen förmlichen Korb gegeben hatte. War es das eifrige Zureden des Gipsmüllers, oder war es die stolze Anwartschaft, einen Oberbaurath zum Schwager zu haben: die Witwe, die zwei Kinder hatte und ein schönes Vermögen besaß, gab ihr Jawort und Franz wurde unversehens Bräutigam.
Brosi war darob glückselig und er sagte einmal:
»Jetzt sind alle meine Kinder versorgt, mein Altbackener auch. Gott giebt mir Recht, er zeigt mir's, daß ich die rechten Gedanken hab', sonst hätt' er mich heut das nicht erleben lassen.«
Es wurde ausgemacht, daß die Hochzeit des Franz an der Kirchweih sein solle, an welchem auch Brosi seinen goldenen Ehrentag feiern wollte. Dabei blieb er, wenn auch
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