Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Severin saß still dabei und spaltete den Mund nicht, die junge Frau aber versuchte mitzusingen und Brosi nickte ihr ermunternd zu.
Als man endlich spät endigte, ging Agnes auf Brosi zu, legte die Hand auf dessen Schulter und sagte mit fremdelnder Betonung, aber ganz deutlich: »Mein Mann ischt koanr.«
»Es ist ein' Blitzhex,« rief Brosi und jauchzte hellauf: Juhu, daß die junge Frau doch zusammenschrack.
Am zweiten Tage ging es nach Endringen zur Gasterei, denn Kilians Frau wollte die Heimkunft ihres Mannes abwarten. Brosi und Moni fuhren zum Erstenmal in ihrem Leben in einer Kutsche nach Endringen. Moni saß neben ihrer Söhnerin und Brosi ihr gegenüber. Brosi lupfte gnädig den Hut vor allen Begegnenden, welche die Insassen auf diese Art begrüßten und Manche, die es vor Staunen vergaßen, lehrte er es durch zuvorkommenden Gruß.
Als man gegen das Haus des Petersepp kam, sagte Brosi: »Da drüben in den Garten hinein hab' ich immer ein nett's Häusle gewünscht, das ist der höchste Wunsch gewesen, den ich in meinem ganzen Leben gehabt hab'.«
Das Auge Brosi's leuchtete bei diesen Worten, und doch sprach Severin kein Wort und nickte nur still vor sich hin. Nur Agy sagte durch den Mund ihres Mannes, daß ihr Endringen noch besser gefiele als Haldenbrunn, und Brosi war darob überaus glücklich.
Beim Petersepp und der Mariann' war's nicht minder gastfreundlich als gestern beim Rösle. Alle Endringer, die kamen, ließ Brosi eine Prise nehmen und seine Spruchdose bewundern.
So lang der Severin da war, machte Agy viel weniger Späße und war stiller; aber auch heute ging Severin fort und als man heimkehren wollte, mußte man ihn vom Bürgermeister, wie man im Badischen den Schultheiß nennt, holen.
Am dritten Tage ging Brosi an seine Arbeit, er sagte: er halte diese Gastereien nicht aus, er hatte einst den Ausspruch gethan, man könne nicht von der Freiheit essen und jetzt sagte er: »Ich kann von der Freud' allein nicht leben.«
Agy vollendete ihre Zeichnung vom Bömlesgrund, und Brosi arbeitete unweit davon. Severin war allein nach Endringen gegangen.
In den folgenden Tagen vollführte Agy zum Staunen aller Haldenbrunner noch eine weitere Zeichnung: sie saß jenseits des Baches und nahm das elterliche Haus Severins auf. Das Haus mit dem Strohdache und den Pflanzen, die sich darauf festgewurzelt hatten, nahm sich auf dem Papiere sehr gut aus und als Agy gegen Severin die Einfachheit und Ursprünglichkeit dieser Bauart lobte, war dieser strenger Fachmann genug, um ihr zu beweisen, daß in dieser Bauart gar kein Stil liege und gar keiner anzuwenden sei, es sei eben nichts als die rohe Nohtdürftigkeit. Agy biß bei dieser Darlegung auf ihren Bleistift; aber sie schaute bald wieder hell auf, sie kannte ihren Mann, bei dem die strenge rücksichtslose Wahrhaftigkeit Alles beherrschte und der deshalb keinen liebgewordenen oder anmuthenden Schein verschonte.
Von der kleinen, vor fünfzig Jahren aufgeführten Ufermauer sah man wenig mehr. Weiden und Erlen bedeckten das Ufer und bildeten einen ansprechenden Vordergrund mit dem Bachstege. An der Stelle des ehemaligen Zaunes von fuchsig gewordenen Tannenzweigen, grünte ein lebendiger und kurz gehaltener Buchenhag.
Moni hatte trotz der Abwehr doch ihren Söhnen Kunde von der Ankunft des Bruders zukommen lassen, und diese hatten solche zu gleicher Zeit auch von anderer Seite erhalten; sie kamen nun auch schon am Samstag Morgen und Severin schüttelte ihnen wacker die Hände und gab Jedem einen silberbeschlagenen Ulmerkopf, die sie nur nach vieler Einsprache mit lautem Dank annahmen, denn sie hatten Größeres erwartet.
Mit Kilian, der ihm immer der Liebste gewesen war, hatte Severin viel zu geheimnissen und man sah diesen oft zufrieden lächeln, während Kilian sich vor Lachen bog. Einmal indeß hörte man Kilian auch rufen:
»Du wirst aber sehen, er thut's nicht. Denk' an mich. Es ist nur so gered't. Er kann's nicht, und wenn er auch möcht'.«
Severin winkte ihm hierauf mit Heftigkeit Schweigen zu.
Mit Franz verkehrte Severin nur sehr wenig.
»Hast dir ein' Saubere 'rausgelesen,« sagte Franz einmal zu seinem Bruder, mit seiner neuen Pfeife auf Agy deutend.
»Warum bist denn du noch ledig?«
»Weiß nicht, ich hab's versäumt und jetzt ist's fast gar zu spät. Wenn du mir eine geschickte Wittfrau wüßtest, ich ließ mich noch überreden. Aber ich denk' wohl, ich bleib' ledig. Wir haben so ein' große Familie, und es soll auch einmal was zu erben
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