Schwarzwaelder Dorfgeschichten
zu beherrschen, daß er einmal dem Dorfe Ade gesagt und daß es auch dabei bleiben müsse. Die Mutter ahnte dies, sie zischelte dem Trudpert etwas in's Ohr, worauf dieser wegging und mit wunderbar heiterem Sinn spöttelte sie nun darüber, wie es so lustig sei, daß man das ganze Dorf zum Narren gehabt habe; von den Nachkommen der alten Lachenbäuerin gehe Keiner nach Amerika, sie hätten's nicht nöthig. Indem sie nun mit seltsamem Geschick ausführte, was Dieser und Jener zum Dableiben Xaveri's sagen werde, brach sie den scharfen Nachreden, um welche diesem allerdings bangte, mit klugem Geschick im Voraus die Spitzen ab.
Trudpert kam bald wieder, aber unter der Thür hörte man ihn sagen: »Geh' du nur voraus.« Er, der eigentlich scheel dazu sah und der neuen Schwägerin nicht zugethan war, that doch ehrerbietig gegen sie, und die neue Schwägerin war Niemand anders als die Zuckerin, die mit aufgerichtetem Haupt Xaveri die Hand bot. Die Mutter, welche die Hand Xaveri's gehalten hatte, legte sie nicht ohne fühlbares Widerstreben in die dargereichte der Zuckerin und sagte: »Gott Lob und Dank, daß das so schön fertig geworden ist.« Auch der Schultheiß und Trudpert brachten nun ihre Glückwünsche zur Verlobung. Xaveri nickte still.
So war also Xaveri Bräutigam und blieb daheim.
Der Schultheiß ging auf's Rathhaus, Trudpert auf's Feld und Xaveri blieb noch lange mit seiner Braut bei der Mutter; er wollte vorher die seltsame Kunde sich im Dorfe verbreiten und bereden lassen, ehe er sich mit seiner Braut zeigte. Vor dieser öffentlichen Schaustellung bangte ihm überhaupt sehr, nur das glückstrahlende Gesicht seiner Mutter erheiterte ihn, und er sagte sich's zum Erstenmal in seinem Leben, daß er eigentlich ein guter Sohn sei. Fast nur der Mutter zu lieb that er schön mit seiner Braut, aber dennoch willfahrte er ihr nicht, sie jetzt nach Hause zu geleiten. Die Zuckerin ging allein. Den ganzen Tag verließ Xaveri die Stube nicht, er saß fast immer still in sich zusammengekauert auf seiner blauen Kiste; er las wiederholt seinen Ueberfahrtsvertrag und dann las er ihn nicht mehr und starrte hin auf das Papier, auf die abgebildete Bruderhand, auf die gedruckten Zeilen, zwischen denen sein Name eingeschrieben war und dann sah er nichts mehr und Alles schwamm ihm vor den Augen. Erst in der Dämmerung machte er sich auf Zureden der Mutter auf, seine Braut zu besuchen; er wurde von allen Begegnenden angehalten und spöttisch hieß man ihn willkommen aus Amerika. Und ebenso spöttisch klangen die Glückwünsche zu seiner Verlobung.
Die Mutter saß still daheim und betete immerfort; es lag ihr schwer auf dem Herzen, daß sie vielleicht doch ihr Kind in's Elend hineingezwungen habe, Xaveri hatte so gar kein Bräutigams-Ansehen; aber sie tröstete sich wieder, daß es die zurückgehaltene Auswanderung, nicht die widerwärtige Verlobung sei, die den Trübsinn in sein Angesicht brachte.
Die Zuckerin war unwillig, daß ihr Bräutigam erst jetzt sich zeigte, und dieser mußte, um sie zu versöhnen, zärtlicher sein als ihm zu Sinne war. Als er im Gespräch darauf kam, daß er dem Pflugwirth das Handwerk legen wolle, sagte die Zuckerin zuerst: »Das geht nicht, das leid' ich nicht; mein Mann muß daheim bleiben und nicht draußen ich weiß nicht was treiben.«
Xaveri erhob sich auf diese Worte und sah sie zornig an, da setzte sie schnell begütigend hinzu: »Nun, es läßt sich ja drüber reden, es braucht ja nicht Alles heut' ausgemacht zu sein.« Als Xaveri zuletzt sich noch ein Päckchen Batzenknaster mitnahm und sich's durchaus nicht nehmen ließ, es zu bezahlen, gab ihm seine Braut noch ein anderes Päckchen Tabak und sagte: »Probir einmal den, der kostet die Hälfte, probir' ihn nur, und er wird dir auch schmecken, so gut wie der theuere; es ist ja nur geraucht.«
»Du bist hauslich,« sagte Xaveri mit spöttischem Lob, aber die Zuckerin nahm dies für ein wirkliches hin.
Das Einzige, was Xaveri zu Hause der Mutter klagte, war diese Geschichte mit dem Tabak, aber die Mutter beschwichtigte ihn: »Sie ist halt ein blutarmes Mädchen gewesen, das den Kreuzer werth halten muß, und hat nachher den Geizhals gehabt. Weiber verthun genug, sei froh, daß du eine häusliche hast, und sie wird sich schon dran gewöhnen was der Brauch ist bei Einem, der aus einem rechtschaffenen Bauernhaus kommt.«
Xaveri fügte sich darein, daß man sich ins Leben finden müsse so gut es geht, und seltsam! diese weiche entsagende
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