Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Stimmung, die der Trotzkopf zum Erstenmal in seinem Leben kannte, machte ihn minder empfindlich gegen die Neckereien, die er vielfach auszustehen hatte wegen seines Daheimbleibens. Die Leute waren ihm fast gram, daß er sie um ihre Theilnahme an seinem Weggehen betrogen hatte; sie hatten ihm diese gewidmet und er war ihnen nun auch schuldig, wegzugehen. Fast eine stehende Frage, die man an ihn richtete, war, wie es in Amerika aussehe, und wie er die Seekrankheit überstanden habe. Zu seiner Verlobung glückwünschte man ihm großentheils aufrichtig und weil Xaveri gerade wegen dieser in sich bedrückt war, fühlte er die Spöttereien wegen seines Verbleibens fast gar nicht.
Der Pflugwirth hatte sich dazu verstanden, das Ueberfahrtsgeld wieder herauszugeben, aber die Bedingung festgesetzt, daß man als billigen Entgelt nun auch die Hochzeit in seinem Hause feiere. War diese ganze Hochzeit eine eigentlich erzwungene, so war es nun auch noch der Ort der Feier. Braut und Bräutigam hatten keine rechte Freude aneinander und der Wirth und seine Leute, die freundlich und ehrerbietig zu ihnen thaten, empfanden nichts bei dieser Schaustellung.
Acht Tage vor seiner Hochzeit wanderten die Burschen und Mädchen aus, mit denen Xaveri hatte ziehen wollen. Er sah ihnen mit trübem Blick nach, aber er schüttelte Alles von sich und sagte sich innerlich vor, daß er daheim ein Glück gemacht habe, vielleicht größer als es ihm in Amerika zu Theil geworden wäre und dabei blieb er des Lachenbauern Xaveri.
In der Nacht vor seiner Hochzeit fuhr Xaveri seine blaue Kiste, darinnen seine ganze Ausrüstung für die Auswanderung war, in das Haus seiner Braut. Die Zuckerin wollte sogleich die Aufschrift auskratzen und die Kiste in den Kaufladen verwenden, aber Xaveri bestand mit Heftigkeit darauf, daß die Kiste bleibe wie sie sei, und daß seine ganze Gewandung darin aufbewahrt werde. Er stellte die Kiste in das Schlafzimmer vor das Bett und sagte scherzend: »Ich steige über Amerika hinüber in's Bett.«
Ein wohlangebrachter Scherz hat immer etwas Versöhnendes. An diesem Abend übernachtete Xaveri zum Letztenmal im Hause der Mutter und zum Erstenmal war er in der Seele eigentlich recht froh, er wußte nicht warum und wollte es auch nicht wissen.
Bei der Hochzeit ging es lustig her, nur war die Zuckerin einmal unwillig, weil Xaveri mehr als nöthig war, mit Lisabeth, die von Deimerstetten herübergekommen war, und mit ihrer jüngern Schwester Agathe getanzt hatte. Xaveri versöhnt sie bald, und als seine Frau mit seinem Bruder Trudpert tanzte, stieg er zu den Musikanten hinauf und blies den amerikanischen Marsch, den er so oft den Auswanderern auf dem Wagen aufgespielt hatte, als lustigen Hopser und erntete darüber großes Lob.
Xaveri trug so zu sagen Amerika immer auf dem Leibe, denn er ging in der fremdländischen, mehrfach zu wechselnden Kleidung, die er sich für die neue Welt angeschafft hatte; aber er trug auch Amerika immer noch im Herzen, und das war viel gefährlicher. In der ersten Zeit nach seiner Verheirathung durfte er sich's schon hingehen lassen, daß er sich nur halb der Arbeit widmete; aber als er auf Bedrängen der Frau sich derselben mehr annehmen sollte, zeigte sich's, daß er jetzt doppelt schlaff war. Der Gedanke der Auswanderung hatte ihn erlahmt, er hatte sich gewöhnt, das Dorf gar nicht mehr als den Kreis seiner Thätigkeit anzusehen, er hatte, so zu sagen, auf einen neuen Lebensmontag gehofft, an dem er sich scharf in's Geschirr legen wollte; jetzt sollte er mitten in der alten Woche im alten Gleise doppelt frisch zugreifen. Und wie das Dorf und Alles, was darin vorging, ihm keine Freude mehr machte – weil er sich daran gewöhnt hatte, sich nur von einem ganz andern Leben, von ganz andern Verhältnissen Erfrischung zu versprechen und Alles, was um ihn her vorging, gleichgültig zu betrachten – so war ihm auch gleicherweise das erheirathete Anwesen alt und morsch, es bot keine Gelegenheit, mit starker Kraft etwas ganz Neues zu schaffen, wie er sich's so glänzend ausgedacht hatte. Er war eben in ein verwittwetes Anwesen versetzt; die ganze alte Welt, die ganze gewohnte Umgebung hatte ihm etwas Verwittwetes. Er konnte sich das nicht deutlich machen, aber er fühlte es nichtsdestominder. Gern gab er seiner Frau darin nach, daß er dem Pflugwirth das Handwerk nicht legte; es war ihm Recht, daß er nichts Besonderes, eigenthümliche Anstrengung und Zusammenfassung Erforderndes zu thun hatte. Er lebte gern
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