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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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so in den Tag hinein, und es war ihm schon zu viel, daß er damit zu thun hatte, neues Vieh anzuschaffen – denn das alte war verkommen – daß er neue Feldgeräthe anschaffen mußte – denn die alten waren gar nicht zu gebrauchen. Das Anwesen der Zuckerin und die Fülle des Hauses waren nicht so bedeutend, als es den Anschein gehabt hatte. Die Vorräthe im Kaufladen waren geborgt, und Xaveri, der sein Vermögen auf Zinsen anlegen wollte, mußte mehr als die Hälfte in das Haus stecken, und durfte sich davon vor den Leuten nichts merken lassen, um nicht zum Schaden auch noch den Spott zu haben. Dabei hatte er über die kleinste Anordnung, die er im Hause traf, scharfe Auseinandersetzungen mit seiner Frau. Sie hatte einst gewünscht, einen Mann zu haben, dem sie untergeben sei; und das Geringste, was dieser nun selbständig verfügen wollte, erregte ihre heftigste Einsprache. Xaveri, der einst über das ganze Dorf und noch weit darüber hinaus geherrscht hatte, sah, daß es ihm nicht gelingen wollte, die eigene Frau in seine Gewalt zu bekommen. Er rang mit ihr um die Oberherrschaft, und weil es zwischen ihnen an der Liebe fehlte, die nicht eifert, war Herrschaft ihr einziges Ziel. Wenn Eins merkte, daß das Andere Dies oder Jenes besser verstand, herrschte darüber nicht Freude und Anerkennung, sondern Neid und Schmälsucht. Xaveri hatte, ohne vorher ein Wort davon zu sagen, den ganzen Viehstand im Hause verändert, und weil er damit, zum Theil nicht ohne seine Schuld, unglücklich war und mit Verlust noch einmal ändern mußte, ließ sich's die Frau nicht entgehen, ihm solches oft und mit Schadenfreude zu wiederholen und ihm zu zeigen, daß er nichts verstünde und sich von Jedem betrügen lasse. Bei solchen Erfahrungen und Wahrnehmungen war Xaveri wohl bös auf seine Frau, aber noch mehr auf seine Mutter, seinen Bruder und alle seine Verwandten. Er sah in allem nur sein Ungeschick für die alte Welt, man hätte ihn sollen ziehen lassen, er wäre ein ganz anderer Mann geworden in Amerika, das war sein steter Gedanke. Mit Ungestüm forderte er oft Hülfeleistungen und Beistand von seinen Angehörigen; sie durften ihm, wie er glaubte, nichts versagen, sie waren es ihm schuldig, da er ihnen zulieb daheim geblieben war. Wenn man ihn bei solchen Zumuthungen auf seine eigene Kraft und Thätigkeit hinwies und Jedes unbekümmert um das Andere seinem Tagewerk nachging, knirschte er in sich hinein: ihm war ja himmelschreiend Unrecht geschehen, er war daheim geblieben, um eine hülfebereite Verwandtschaft zu haben und es gab ja gar kein Zusammenhalten mehr; er war einsam und auf sich gestellt, als wäre er in weiter Wildniß. Die Familienangehörigkeit erschien ihm eben auch als eine Lüge, wie Alles auf der Welt. Tage und Wochen lang sah sich Niemand nach ihm um, und doch hatten sie gethan, als könnten sie nicht leben, wenn er nicht da wäre. Wie freundschaftlich und zuthulich war damals das ganze Dorf und besonders seine Verwandtschaft gewesen, als er fortgehen wollte, und jetzt zeigten sie nicht den hundertsten Theil jener Herzlichkeit. Der Pflugwirth erschien jetzt noch als der Bravste, der war doch immer der gleiche Schelm gewesen.
    Mit Absicht entzog sich jetzt Xaveri den Seinigen und verspottete sie. Besonders gegen seinen Bruder Trudpert faßte er einen tiefen Widerwillen, der war immer so ruhig und still, ging unablässig in seinem Geleise seinen Geschäften nach, und hatte nicht einmal ein freiwilliges Wort für das Anliegen eines Andern, geschweige einen Beistand. Er war mit dem Pfluge in's Feld gefahren, als Xaveri nach dem Markt ging, um neues Vieh einzukaufen, er hatte ihm kaum Glück auf den Weg gewünscht. Hätte er nicht als älterer, erfahrener Bruder freiwillig mitgehen und Xaveri vor dem Ungeschick bewahren müssen, in das er für sich allein gerathen war?
    Am meisten aber war Xaveri doch auch bös auf sich selber und zwar natürlich darum, weil er der Narr gewesen war, dem Geflenne und Gezerre der Seinigen nachzugeben und daheim zu bleiben.
    Mitten in all diesem Sinnen und Grübeln war es fast wunderlich und Xaveri schüttelte oft selbst darüber den Kopf, daß er jetzt so viel über die Menschen und über sich selbst nachdenken mußte. Es schien, als habe er bis jetzt alle seine Jahre nur träumend verbracht und jetzt auf Einmal ginge ihm das Leben auf, so verwirrt und düster.
    Ein jeder Menschengeist, so dumpf er auch scheinen mag und so sonnenlos auch sein Standort ist, hat doch seine kürzer oder

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