Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Menschen nicht glauben. Und war es nicht sein Bruder? Und zitterte nicht seine Stimme so kläglich, als er die grause That des Vaters erzählte? Mit neuem Muth schritt Alban dahin. Da begegnete ihm ein Wagen, er kannte den Tritt der Pferde, das Rollen des Wagens und das eigenthümliche Peitschenknallen des Dominik. Er hatte sich nicht getäuscht, Dominik kam mit dem Fruchtwagen.
»Wohin noch?« fragte Dominik erstaunt.
»Gen Reichenbach.«
»Bleib' heut davon, die Freischärler sind dort, ein paar hundert Mann, der Lenz von Röthhausen führt sie an. Ich hab' auch deinen Namen nennen hören.«
»So? Da komm' ich gewiß,« entgegnete Alban und erzählte nun alles Vorgegangene. Alban war erstaunt, als Dominik ohne große Theilnahme sagte:
»Ich weiß schon lang, doch du bist auch kein rechter Freisinniger. Hättest du den Hof allein bekommen, es wär' dir nicht eingefallen, daß deine Geschwister durch das alte Herkommen verkürzt werden, du wärst halt ein großer Hofbauer wie Andere, wenn auch ein bisle gutmüthiger.«
»Das verstehst du nicht,« entgegnete Alban zornig.
»Freilich, ich bin nur als armer Knecht aufgewachsen. Was kann so Einer wissen.«
Alban stand betroffen, aber er wollte jetzt von nichts Anderem wissen und ging fast zornig davon. Er hatte Dominik um ein Darlehen bitten wollen, aber jetzt that er ihm diesen Gefallen nicht.
In Reichenbach wurde Alban mit großem Jubel bewillkommt. Es klärte sich jetzt Alles auf. Der Lenz hatte dem Alban schon am Morgen einen Boten geschickt, der Bote hatte die Weisung angenommen, war aber wahrscheinlich nach einer andern Gegend entflohen, weil er sich vor der Verantwortlichkeit fürchtete. Mitten im Sturm war Alban für sich plötzlich hoch erfreut. So war es also nicht Lüge und Falschheit von Vinzenz, daß man in der Stadt gesagt hatte, er sei bereits unter den Freischärlern, er bat dem Bruder in Gedanken jeden Zorn ab, den er gegen ihn gehegt hatte ...
Der Pflug im Kugelberger Felde blieb lang unberührt liegen.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Monatelang hörte man nichts von Alban, bis auf den Furchenhof plötzlich die Nachricht kam, der Alban habe sich eine Zeitlang beim Hirzenbauer in Nellingen aufgehalten und diene jetzt als Knecht auf dem Sabelsbergischen Gut in Reichenbach. Die Mutter eilte zu ihm, um ihn nach Haus zu bringen, aber er ging nicht und beharrte auf seinem Eid, der Vater müsse ihn holen. Es war unerhört, daß der Sohn des Furchenbauern bei dessen Lebzeiten Knecht sein, an der Schwelle des väterlichen Hofes fremden Leuten dienen sollte. Alban war unnachgiebig, als auch Ameile und Dominik nach einander zu ihm kamen, er wiederholte Beiden: er wolle dem Vater zeigen, daß er Knecht sein könne, aber nur bei fremden Leuten, nicht auf dem väterlichen Hof, dazu werde er sich nie verstehen; der Vater, der ja für seine Nachkommen sorgen wolle, könne jetzt bei Lebzeiten an ihm sehen, wie es ihnen einst ergehe.
Es war ein strenger Befehl des Vaters, daß in seinem Beisein Niemand von Alban reden durfte, auch die Mutter nicht; ja sie hatte es so weit gebracht, selbst ihren Gedanken zu wehren, daß sie zu ihm hingingen. Ueber ihre Träume aber hatte sie keine Macht ....
Ein Sohn und ein Knecht.
Heute waren alle die stürmischen und trüben Erinnerungen in der Seele der Mutter erwacht, und als sie endlich eingeschlafen, schrak sie plötzlich auf und rief laut den Namen Albans, von dem sie seit länger als einem Jahre ihre Lippen entwöhnen mußte. Sie horchte still, ob ihr Mann nichts gehört habe, der aber schlief ruhig.
Die ganze Welt war wieder in ihr altes Geleise zurückgekehrt, die gerade gestreckten Sensen waren wieder umgebogen und einzelne, bei denen sich das nicht mehr thun ließ, waren zum alten Eisen geworfen; die Gemeinden, die auf allgemeine Kosten Waffen angeschafft, hatten diese wieder verkauft und nur hier und da sah man noch einen einzelnen Heckerhut mit schlaffer Krempe, der allmälig zertragen wurde. Die Jahre der Bewegung, die auch in der entlegensten Hütte eine Erschütterung hervorgebracht, schienen jetzt vergessen wie ein Traum. Auf dem Furchenhofe war auch Alles wieder wie ehedem, ja der Furchenbauer war wieder einer der Liberalen, die man freilich jetzt anders nannte, denn bei der Einführung der Geschwornengerichte hatte man ihn, der doch auf der Liste der
Weitere Kostenlose Bücher