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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Menschengeschichte dennoch nicht trostlos verzweifeln, vielmehr die Zuversicht schöpfen, daß trotz aller eigensüchtigen Zerfahrenheit doch am Ende wieder Ehre und Freiheit sich entwickeln muß, wenn auch zunächst nur als die höchsten Güter des Genusses oder des Wohlstandes, wenn man es so nennen will. Und auch jetzt schon, so wenig man es auch Wort haben will, zeigt der Staat, daß er diesseits der Markscheide der jüngst vergangenen Jahre andere Ziele haben muß: die ehemalige verneinende Polizeikunst möchte sich zu einer positiven Förderung des Gemeinwohls entwickeln, möchte von oben herab beglücken, ohne das doch je zu können.
    Die vergangenen Jahre haben es oft dargethan, daß der Bauernstand die Pfahlwurzel alles gesunden Staats- und Nationallebens sei, und ihm wendet sich nun die höchste und allerhöchste Fürsorge zu. Während man jede Volkssitte, die frecherweise ohne höhere Genehmigung aufgewachsen ist, auszutilgen sucht, während man das öffentliche Singen der Volkslieder in den Dörfern verbietet, während man die Spinnstuben in Acht und Bann erklärt und sogar polizeilich sprengt, während man die Kirchweihen alle auf Einen Sonntag verlegt und so Nachbardorf von Nachbardorf absperrt – will man in den landwirthschaftlichen Vereinen und Festen ein mit Kanzleitinte verschriebenes Surrogat dafür setzen. Da sollen die politischen Schreier einmal zeigen, ob sie wirklich etwas wissen zur Hebung des Nothstandes und zur besseren Ausnutzung der Arbeits- und Naturkräfte! Jeder Hinweis auf die große Strömung des Nationalbesitzthums und seine Erfordernisse erscheint natürlich alsbald als Flausenmacherei; es handelt sich hier nur darum, wie die Cultur, natürlich der Gewächse, zu fördern, wo man russischen Weizen und Luzerne pflanze, wie der belgische Pflug zu handhaben, wie der Dünger zu behandeln und welche Vortheile bestimmte Kreuzungen und Veredlungen, natürlich der Hausthiere, bringen. Zeigt sich dann auch beim Schmause eine gewisse Lebendigkeit und Lustigkeit, sie ist doch immer gedämpft und in Schranken gehalten, oder will einmal gar wildes Wasser einbrechen, es sind Dämme genug da, durch die Anwesenheit der Angestellten, die hier freilich nur einfache Mitglieder sind, aber doch ihre Amtstitel behalten und sogar in entsprechenden Uniformen darstellen. Eine gewisse Humanität, die auch den Niederen und Niedersten bedenkt, ist dabei jedoch nicht vergessen, wie wir bald sehen werden.
    Eine mit Eichenlaubgewinden, mit Astern und mannichfachen besonders ausgezeichneten Jahreserzeugnissen geschmückte Tribüne erhob sich am Gartenzaun des Apostelwirths, so daß die Versammlung auf der Straße zwischen dem Wirthshause und der breiten Tribüne sich aufstellen konnte; Fuhrwerke, die des Weges kamen, mußten um das Apostelwirthshaus herum weiter fahren. Hier war noch vor wenigen Jahren eine fast beständige Tribüne für Volksversammlungen gewesen; hier war der Reichstagsabgeordnete gewählt und waren Proteste gegen ihn erlassen worden, der Lenz von Röthhausen hatte hier seine glänzendsten Triumphe gefeiert. Der Ort war vortrefflich in der Mitte des Bezirkes gelegen und der Wirth war einer der eifervollsten Freisinnigen und rauchte beständig aus einer Heckerpfeife. Seitdem hat er sich anders besonnen, hat sich das Rauchen abgewöhnt, schnupft nur noch echten Pariser und ist sogar fromm geworden.
    Eine Musikbande war im obern Stock des Wirthshauses an den Fenstern aufgestellt, ein Trompetenstoß und darauf folgender Marsch verkündete, daß jetzt die Viehmusterung beginne. Natürlich hatten zwei mit Ober- und Untergewehr bewaffnete Landjäger den Zug angeordnet und hielten Wache. Die Preisrichter waren fünf. Obenan stand der derzeitige Präsident des landwirthschaftlichen Vereins, ein resignirter Cameralverwalter, der jetzt als Pächter mehrerer Domänen den Titel Domänenrath hatte, ein behäbiges und lustiges Männchen mit spärlichen grauen Haaren auf dem Haupte, die jetzt sichtbar wurden, da er beim Austreten aus dem Apostel fortwährend alle Anwesenden grüßte, die entblößten Hauptes vor ihm standen. Dominik war der erste, der seinen Hut wieder aufsetzte, denn das Schwärzle war unbegreiflich wild. Dem Domänenrath folgte eine hagere selbstbewußte Erscheinung, die den Schnurrbart zwirbelte; es war der Rittergutsbesitzer von Renn, ehemaliger Leutenant. Nun kam eine vollbärtige untersetzte Gestalt, ebenfalls ein studirter Oekonom, ehemals Pfarrkandidat und jetzt Pächter auf dem

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