Schwarzwaelder Dorfgeschichten
landwirthschaftlichen Bezirksfest, unser Dominik kriegt heut einen Preis und vielleicht das Schwärzle auch. Kehr' um und führ' uns, wir können so Beide nicht fahren, hast gesehen,« entgegnete Ameile und der Vater befahl nochmals: »Fahr' zu!«
»Ich kann nicht mit,« sagte Alban vor sich niederschauend, »ich bin hier Knecht.« Er reichte der Schwester die Hand und schloß: »B'hüt dich Gott.« Auch dem Vater streckte er die Hand entgegen und sagte: »B'hüt's Gott Vater.« Er zog die dargereichte Hand aber leer zurück, denn der Vater riß Zügel und Peitsche an sich und fuhr davon. Ameile schaute noch einmal zurück und winkte dem Alban, dieser aber sah sie nicht, denn er strängte die Pferde wieder ein, stieg auf den Sattelgaul, untersuchte die Treibschnur und fuhr hell knallend die Straße hinauf und dann querfeldein.
Draußen vor dem Dorf sagte der Furchenbauer:
»Der Malefizbub ist mir überall im Weg. Wenn ihm der Dominik Bescheid gegeben hat, geht's dem schlecht. Der Malefizbub hat's gewiß erfahren, wann ich komm', und hat mir zeigen wollen, wie er Knecht ist, und aufgefahren ist er auch mit Fleiß, es kann ja kein Hofkutscher besser fahren wie er.«
»Nein Vater, da thuet Ihr ihm Unrecht, er hat halt die Besinnung verloren, wie er uns gesehen hat, wie wir Beide auch.«
»Ich nicht.«
»Man sieht ihm aber nichts mehr von seiner Krankheit an,« begann Ameile nach einer Pause, und der Vater fragte:
»Ist er denn krank gewesen? Woher weißt du's?«
»Ich hab' des Jörgpeters Maranne von hier Setzling (zu Kohl) verkauft und die hat mir gesagt, daß er's auf der Brust hab'.«
»Das ist nichts. In unserer Familie ist Alles gesund auf der Brust und der Alban hat eine Brust wie ein Faß.«
»Er sieht doch aber aus wie ein Graf.«
»Viel zu wenig, zum Geringsten wie ein Prinz. Red' mir heut kein Wort mehr von ihm. Punktum. Ich werd's heut wieder von fremden Leuten schon genug hören müssen.«
Trotz dieser Mahnung sagte Ameile doch nochmals:
»Ihr hättet ihm wohl ein' Hand geben dürfen, er hat so herzgetreu Behüt's Gott gesagt. Das Wasser ist ihm in den Augen gestanden.«
»Ich will aber keine Hand und kein Wort von ihm. Still jetzt, du darfst mir heut seinen Namen nimmer gedenken, oder ich zeig' dir, daß ich über dein Schneppebberle auch Meister bin. Punktum sag' ich zum Letztenmal.«
Der Furchenbauer konnte den Seinigen verbieten, von Alban zu sprechen, selbst aber sein zu gedenken, dessen konnte er sich nicht erwehren. Er hatte seit anderthalb Jahren die Stimme seines Kindes zum Erstenmal wieder gehört, das Auge des Kindes hatte lange auf diesem starren Antlitze geruht und die Mienen wurden nur noch finsterer und die schmalen Lippen wurden oft zwischen die Zähne gekniffen.
Erst als er sich Wellendingen näherte und den Leuten begegnete, die ihr Vieh zur Preisbewerbung führten, lächelte der Furchenbauer vor sich hin. Als Dominik am Apostel auf ihn zukam, rief er diesem barsch zu.
»Bist doch über Reichenbach gefahren und hast dem Alban gesagt, daß ich auch komm'?«
»Nein, ich bin wie Ihr befohlen, über Jettingen gefahren; der Hirzenbauer kann mir's bezeugen.«
»Schon recht. Ist das Schwärzle gut gelaufen?«
»Ja, wie ein Hirsch.«
Der Furchenbauer ging mit Ameile nach der Wirthsstube, wo Spitzgäbele ihn alsbald bewillkommte.
Ein officielles Volksfest, eine exotische und eine wilde Blüthe.
Seitdem wieder jede freie und natürliche Strömung des Volkslebens gebunden ist, seit die Verzweiflung an der Macht des rein sittlichen Gedankens immer allgemeiner zu werden droht, seit man Eidbruch und Verhöhnung des Rechts und Ehrgefühls als nicht zu erörternde Thatsachen hinstellt, ist von dem stolzerhabenen Fahnenrufe der vergangenen Jahre Alles verlöscht worden und nur das eine Wort: Wohlstand stehen geblieben. Die öffentlichen Stimmen rufen es allein aus und jeder Einzelne dünkt sich weise und gewitzigt und berühmt sich dessen, daß der günstige Geschäftsbetrieb, der Wohlstand, doch das einzige Wünschenswerthe sei. Höheren Ortes – wie man es nennt – wird diese Richtung sorglich gepflegt und ihr allenfalls noch durch Erweckung eines kirchlichen Sabbathsinnes ein Gegengewicht zu geben versucht; jede Bürgerehre, jede sittliche Verbindung der Staats-und Volksgenossenschaft wird als entbehrlich, ja vielfach als strafwürdig angesehen. Wenn sich hierdurch die bürgerlich-sittliche Gemeinschaft immer mehr aufzulösen droht, so wird der einsichtige Kenner der
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