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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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erfuhr Dominik die seltsame Stimmung seines Heimathsdorfes und jetzt wußte er auch, warum die Seinigen nur halb erfreut und befriedigt waren, als der Hirzenbauer sich seiner annahm. Der Hirzenbauer hatte seinen Hof zertheilt und das ganze Dorf war darüber erbost. Ein Jeder, auch der ärmste Häusler, war stolz darauf gewesen und rühmte sich dessen auswärts, aus einem Dorfe zu sein, wo so ein großer Bauer wie der Klein-Rotteck auch daheim war; jetzt war einem Jeden etwas von seinem Glanze genommen und man war aufgebracht gegen den Hirzenbauer und hatte nur noch den halben Respect vor ihm. Ein Schneider, der mit unter den Dreschern war, erzählte:
    »Es geht uns grad wie den Hechingern. Ich bin vor Kurzem wieder dort gewesen. Ihr könnt euch gar nicht denken wie elend das Städtle jetzt dran ist. Früher hat's doch einen Glanz gehabt und seinen Fürsten und Alles, und jetzt können sie Blut schwitzen und haben nichts und sehen nichts. Der Hirzenbauer ist unser Fürst gewesen und jetzt wird Alles lauter Lumpen und unser Nellingen das elendeste Nest so weit man Hosen flickt.«
    Dominik stand allein mit seinen Entgegnungen, er konnte den Bettelstolz, der an Hartnäckigkeit keinem andern Stolz nachsteht, nicht besiegen; er wußte aber auch keine Antwort auf den praktischen Vorhalt, wie beim nächsten Geschlecht, wenn der Hirzenhof noch einmal verschnitzelt wäre, jeder Abkömmling Alles allein bewirthschaften könne, dann hätten die armen Leute im Orte keinen Winterverdienst mehr und müßten auswärts Arbeit suchen und halb verhungern.
    In der Abendruhe saß Dominik jedesmal beim Hirzenbauer. Dieser hätte wohl ein Menschenverächter werden können, wenn seine Natur dazu angelegt gewesen wäre; er kannte genau die Lage in der er sich befand und wie die Menschen um ihn her ihm gesinnt waren, er glich einem mediatisirten Fürsten, dessen Herablassung kaum noch halb als solche angesehen wird. Er ließ sich dadurch nicht abhalten, seine Wohlmeinenheit in doppelter Macht Jedem kund zu geben, aber einen gewissen Spott konnte er manchmal nicht zurückhalten, daß man ihm verargte, weil er gethan, was recht und billig ist, und in diesem Bewußtsein beharrte er. Er erzählte Dominik, wie er im Testament angeordnet habe, daß der Boden nur bis zu einem gewissen Grade zertheilt werden solle, sei es so weit, so sollten die Uebrigen auswandern. Es war eine eigne Erregung, als Dominik einmal hierauf sagte:
    »Jetzt das gefällt mir, so thät ich's auch machen und dabei blieb' ich.«
    Der Klein-Rotteck verhehlte sich nicht, welch ein Widerspruch darin lag, daß er für künftige Zeiten eine Beschränkung heischte, die er jetzt aufhob; aber er wußte keinen andern Ausweg. »Man muß thun, was man in seiner Zeit für Recht hält: andere Zeiten können's wieder anders machen,« war sein Wahlspruch.
    Schön ist der Baum mit seinen farbigen Blüthen, schön ist der Baum mit seinen farbigen Früchten, aber schöner ist ein Tisch, daran Vater und Mutter sitzen und um sie her die zahlreichen Kinder, die mit vollen und hellen Wangen die vielfältige Schönheit des Lebens erweisen, ehrwürdig ist der Mann, der sie sättigt und tränkt, selig die Mutter, die sie unter dem Herzen getragen und mit stillem Ernst unterweist.
    Auf dem Hirzenhof war ein anderes Leben als beim Furchenbauer, stattliche Schwiegertöchter, vollwangige Enkel gingen aus und ein und überall war ein schön gesättigtes Leben in Arbeit und Frohmuth.
    Der Hirzenbauer bewahrte daheim und in seinem Werktagsgewande allzeit eine gewisse phlegmatische Ruhe, eine langsame Stetigkeit in Reden und Mienen und in allem Thun. Das lag nicht nur in seiner Natur, sondern auch bei allem Freimuth im Bewußtsein seiner höheren Stellung. Kleine Leute, denen kommt es zu, ein aufgeregtes, gehetztes, leidenschaftliches Leben zu haben; ein Großbauer muß allezeit mit eisenfester Gemessenheit zu Werk gehen; das schickt sich nicht anders für ihn, so verlangt es seine Würde.
    Wenn hier auf dem Hirzenhof Etwas erörtert wurde, merkte man wohl die natürliche Oberherrlichkeit des Vaters, aber es kam nie zu tyrannischen Machtsprüchen, es gab nie ein lautes Wort.
    Unserm Dominik erquickte das Reden und Thun des Hirzenbauern das Herz, und dennoch erschien ihm wieder die Welt oft ganz verwirrt. Dort auf dem Furchenhof war Zwietracht wegen ungetheilter Vererbung des Gutes, und hier schimpften die Leute im Dorf, weil man das Gut zertheilt habe und der Bruder des Dominik wollte diesen auch aufhetzen,

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