Schwarzwaelder Dorfgeschichten
heute hörte er nicht auf den Ruf der Gabelweihe, nicht auf das Klingen der Heerden und das Singen der Hütenden, er wußte nichts vom Weg und nichts von Allem rings umher, er ging nicht auf der Erde, er ging im Himmel.
In Jettingen erwachte er wieder plötzlich wie aus einem Traum, hier wo er gestern das Schwärzle eingestellt hatte, ließ er jetzt seine Habseligkeiten zurück und wanderte ledig nach seinem Geburtsorte. Er wollte nicht unterwegs Jedem Red und Antwort stehen, weil er seine Habe bei sich trug und jetzt fiel es ihm doch wieder schwer auf's Herz, daß er so Knall und Fall fortgeschickt war; er konnte ja nicht Jedem sagen, wie ganz anders sich das noch wenden müsse. Heute ließ er sich Zeit zu dem Weg nach Nellingen, und war er ihm gestern unbegreiflich lang erschienen, so däuchte er ihm heute ebenso unbegreiflich kurz. Er dachte sich aus, wie seine Mutter und Geschwister seine Rückkunft aufnehmen würden und wie er sich dabei verhalten solle, als er schon vor dem elterlichen Hause stand. Glücklicherweise war Niemand daheim als zwei kleine Bruderskinder und Dominik ging bald wieder fort und geraden Weges zu dem Hirzenbauer. Nach dem ersten Erstaunen und nachdem er mit auffallender Hast die verpfändete Denkmünze ausgelöst, erzählte er dem Hirzenbauer den ganzen Hergang. Der Hirzenbauer wollte nun seinem Spott über den Furchenbauer Luft machen, Dominik fiel ihm aber in's Wort indem er sagte:
»Redet nicht so von meinem Meister, ich darf das nicht mit anhören.«
»Ja so,« lachte der Hirzenbauer, »er wird ja dein Schwäher.«
»Das steht noch im weiten Feld.«
»Nein, nein was ich dabei thun kann, soll mit Freuden geschehen. Was willst denn jetzt anfangen?«
»Wenn Ihr mich als Drescher brauchen könnet, wär' mir's recht.«
»Gut, das kann schon sein, und es mangelt uns grad ein Knecht, da kannst derweil aushelfen und bist auf dem Sprung wenn's auf dem Furchenhof losgeht, denn da geht's noch durcheinander.«
Als Dominik fortgehen wollte, sagte der Hirzenbauer:
»Wart ein bisle, ich geh mit dir. Ich will's deinen Leuten schon zu verstehen geben, daß du was hast, was du ihnen nicht sagen kannst und daß sie noch Ehr' an dir erleben. Die Schwägerin ist gar anfechtig, (reizbar) die meint gleich, du trägst ihr das halb Haus weg. Dein Mädle hat mir gestern wohl gefallen und die hat ganz das Ansehen dazu, die führt aus was sie will.«
Wie glückselig war Dominik als er mit dem Hirzenbauern durch das Dorf ging. Das war doch noch ein Ehrenmann, der sich eines Jeden annahm sei es wer es wolle, und der errieth wo es Einem fehlt, und wie brav war's, daß er an die Heirath mit Ameile so fest glaubte, und er wußte doch nicht einmal Alles was sie ihm heilig versprochen hatte.
Bei den Angehörigen des Dominik, die diesen nur mit halber Freude willkommen hießen, wußte der Hirzenbauer Alles fein herzustellen. Man schien zufrieden und ihm zu trauen, aber doch nur halb. Dominik sollte erst später erfahren warum. Das aber stand jetzt schon fest, der Hirzenbauer nahm sich des Dominik an wie seines Grundholden, und er wachte über sein Schicksal und freute sich über dasselbe wie ein Menschenfreund. –
Es ist keine Mutter so arm, sie hält ihr Kindlein warm, sagt ein gutes Sprüchwort, das zeigte sich auch an der Mutter des Dominik. Vor dem älteren Sohne und der Schwiegertochter zeigte sie ihre Liebe nicht, ja sie that auch wie die Anderen fast erzürnt über seine Rückkehr; als sie aber allein mit ihm war, öffnete sich ihr ganzes Mutterherz, das sich in den Worten aussprach:
»Und wenn du aus dem Zuchthaus kämst, du wärst doch mein liebstes Kind, du bist von kleinauf die beste Seele gewesen.«
Die Mutter wußte nicht anders, als Dominik habe sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht, sonst wäre er ja nicht so plötzlich gekommen und hätte nicht den Hirzenbauer zu seinem Fürsprech geholt. Dominik konnte der Mutter nicht sagen, was vorging, sie hatte ihm ja geklagt, daß sie das gestern erhaltene Geld der Söhnerin gezeigt und ihr habe geben müssen und er wußte wohl, daß sie noch weit weniger als Geld ein Geheimniß vor der Schwiegertochter bergen konnte, mit der sie doch scheinbar in stetem Unfrieden lebte. Die Mutter war redselig und da sie Niemand anders hatte als die Söhnerin, sprach sie mit ihr Alles aus. Jeden Tag war sie nun glücklich, denn Dominik war ehrerbietig und liebreich gegen sie, was sie schon lange nicht gewohnt war.
Auf dem Hirzenhof unter den Dreschern
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