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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Kleider zu verkaufen, aber sie konnte sich dazu nicht verstehen. Tief erschreckt wurde sie aber einst, als sie mit dem Kleiderausklopfen beschäftigt, den kleinen Johannes sagen hörte: »Nicht wahr Mutter, wenn der Vater da wär', thätest ihn auch so ausklopfen, wie den Rock da?« Zilge schauderte vor dem, was sie und vielleicht auch andere in die Kindesseele gepflanzt hatten, aber sie konnte es nicht mehr ausjäten.
    Im dritten Herbst kam ein Brief von Ausgewanderten aus Amerika, worin es hieß, daß Seb auch dort sei und viel Geld verdiene. Wieder bestürmten wechselnde Gefühle das Herz Zilge's, aber der Unmuth behielt die Oberhand. Konnte Seb nicht selbst schreiben oder Etwas schicken? Sie wollte ja gern seiner in Geduld harren. So oft nun Jemand kam und von Amerika sprach, jammerte Zilge viel und es war ein seltsamer Treffer, daß der kleine Johannes auf die Frage: »Wo ist dein Vater?« immer antwortete: »In Jammerika.« Er ließ sich nicht dazu bringen, das Wort richtig auszusprechen, und die Leute erlustigten sich zuletzt daran, und im Dorfe sagte man eine Zeitlang nie anders als: »Jammerika.«
    In demselben Winter kam in der That auch ein Brief von Seb aus der neuen Welt. Er traf Zilge am Krankenbett ihres Töchterchens und der Brief enthielt nach einer Schilderung vieler Mühsal nichts als die Tröstung, daß es ihm jetzt besser ergehe und er Zilge bald hole. Das ganze Dorf kam nach und nach, um den Brief zu hören und zu lesen, und als der Nachbar Küfer las, daß Seb seine Frau darin erinnerte, wie der Storch auch zuerst allein fortfliege und dann sein Weibchen nachhole, sagte er nicht uneben:
    »Das ist kein Vergleich, die Storchen geben jedes Jahr ihre Kinder aus, der Mensch aber muß sie lang ernähren, ehe sie sich selber forthelfen können.«
    Auch der Bruder Landjäger stellte sich wieder ein, und dießmal konnte ihm Zilge nicht wehren, daß er auf Seb schimpfe, weil er nicht für einen Kreuzerswerth geschickt hatte. Seb hatte versprochen, bald wieder zu schreiben, worauf man ihm dann antworten könne.
    Das Kind genas und Zilge mußte nun die Nächte hindurch arbeiten, sie schüttelte oft den Kopf, wenn sie des Wiedersehens gedachte. »Du kommst zu spät,« sprach sie dann oft vor sich hin, sie dachte an ihren Tod und an die Erkaltung ihres Herzens.
    Neues Ungemach kam, Zilge konnte nicht mehr sticken, ihre Augen wurden krank, und dabei klagte sie dem Arzte, daß sie sich oft wie besessen vorkäme, sie habe so schwere Gedanken, daß sie oft aus dem Schlaf laut aufschreie und es ihr am hellen Tage manchmal vorkäme, als müßte plötzlich Jemand die Thüre aufreißen, und ihr mit einer Axt das Hirn einschlagen. Der Arzt wußte kein anderes Mittel, als daß sie die sitzende Lebensweise aufgebe.
    Zilge verstand sich nicht auf die Feldarbeit, eine Fabrik war nicht in der Gegend, sie faßte aber dennoch einen raschen Entschluß.
    In unserer wohlregierten, allseitig beschützten Welt bedarf aber jede aus der Linie gehende Thätigkeit der amtlich gestempelten Erlaubniß. Der Schultheiß, bei dem sich Zilge ein Leumundszeugniß holen mußte, billigte ihren Entschluß, daß sie Lumpensammlerin werden wolle, er rieth ihr aber, ihr Häuschen zu verkaufen, denn so lange sie das hatte, mußte sie neben den Zinsen für die Hypothekenschuld auch noch Gemeinde- und Staatssteuern bezahlen. Zilge, die nichts hatte als ihrer Hände Arbeit, um sich und ihre Kinder zu ernähren, mußte Steuern zahlen zur Erhaltung der Gerichte, der Militärmacht und des ganzen sogenannten Staatsorganismus. Sie konnte aber doch ihr Haus nicht aufgeben, schon der Gedanke daran war ihr, als würde sie mit ihren Kindern auf die Straße gesetzt; sie hatte sich ihr Lebenlang nach einem »eigenen Unterschlupf« gesehnt, lieber wollte sie sich nur halb satt essen, ehe sie solchen aufgab.
    Mit knapper Noth kam sie bei ihrem ersten Schritt in die fremde Welt straflos davon. Als sie das ausgestellte Patent, das sie zum Lumpensammeln ermächtigte, bezahlen sollte, ergoß sie sich in heftigen Worten: warum sie denn seit Jahren Steuern bezahle, daß sie nun, wenn sie einmal das Gericht brauche, nochmals Blutgeld dafür geben müsse? Der Amtmann antwortete nicht, er zog an einer Klingel, ein Landjäger trat ein; glücklicherweise war es aber der Bruder Zilge's, dessen Fürsprache es nun gelang, daß ihr die Strafe des Einsperrens erlassen wurde. Zilge hörte zu ihrer Verwunderung zum Erstenmal die Entschuldigung, daß es ihr nicht ganz geheuer im

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