Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Vater ist auch ein Kukuk.«
    »Warum?«
    »Ich weiß schon warum, du brauchst nicht Alles zu wissen. Wenn du und dein Schwesterle nicht wär', da hätt' man mich schon da unten am Mühlrechen aufgefischt.«
    »Wie denn?«
    »Ich hätt' mich vertränkt.«
    Eine Elster huschte plötzlich über Zilge tiefer in den Wald hinein, als hätte das böse Wort sie verscheucht; den Vogel gewahrend wurde Zilge seltsamerweise plötzlich inne, was sie gethan, sie pflanzte ja neue unheilvolle Gedanken in die Seele des Kindes; sie gab ihrem Bruder Recht, der sie für irrsinnig erklärt hatte, sie nahm fortan den Knaben nicht mehr mit auf ihren Wanderungen.
    Jahr an Jahr verlief, man hörte nichts von Seb. Die Storchen kamen und gingen, die Menschen freuten sich, daß die Bäume blühten und das Ackerfeld grünte, und freuten sich, als die Saaten dürr und reif wurden, und die Bäume voll Früchte hingen; nur Zilge blieb allezeit still und in sich gekehrt. Man hörte nichts von Seb. Zilge harrte nicht mehr und dachte nicht mehr. Sie versuchte es, ihre alte Thätigkeit wieder aufzunehmen, aber sie hatte keine Ruhe, und lässig und still ging sie nun ihrem Erwerbe nach.
    »Ich bin siebenmal einsam,« klagte sie am Pfingsten, als es sieben Jahre geworden waren, seitdem Seb sie verlassen. Zilge war mit Steuern und Zinsen rückständig geblieben, sie mußte oft auf das Rathhaus, darüber manchen Tag versäumen und gerieth immer mehr in's Elend.
    Seb wurde nun doch in den Zeitungen ausgeschrieben und nach Gesetzesbrauch aufgefordert, binnen dreißig Tagen sich zu gestellen, widrigenfalls ihm wegen des eingeleiteten Gantverfahrens ein Abwesenheitspfleger gesetzt werde. Zilge sah dem letzten Schlage, den sie bisher mit aller Macht abgewehrt hatte, jetzt gleichgültig entgegen.
     
An die große Glocke.
     
    Es war ein heller Herbstabend, die Schwalben sammelten sich in Schaaren und strichen in großen Flügen dahin; vor den Häusern saßen die Bauern und dengelten die Sensen, um das Oehmd zu schneiden; das war ein Klingen und Hämmern durch das ganze Dorf, daß man kaum das Abendläuten hörte.
    Vor dem Rathhaus spielte ein Trupp Knaben laut jauchzend das sogenannte Habergeisspiel, des Maurer Sebs Johannes war auch unter ihnen. Da tönte eine wolbekannte Klingel durch das Dorf, die Dengelnden hielten eine Weile an und hörten den Ausruf des Dorfschützen, dann hämmerten sie wieder weiter. Den Knaben am Rathhause mußte zweimal Stille geboten werden, bis sie ruhig waren, daß man hören konnte, wie der Schütz nach dreimaligem Klingeln von einem großen Bogen las: »Aus der Gantmasse des Maurermeisters Eusebius Groler, genannt Maurerseb, und seiner Ehefrau Cäcilia, geborene Künzle, wird deren allhier an der Winterhalde belegenes einstöckiges Wohnhaus morgen nach der Nachmittagskirche im Aufstreich zum Erstenmal öffentlich versteigert.«
    Der Schütz ging gravitätisch weiter und man hörte ihn bald wieder vor einer andern Häusergruppe schellen.
    Die Knaben schauten Alle auf Johannes, der mit niedergeschlagenem Blicke dastand, seine Lippen zuckten; bald aber ging das Necken der Kameraden los:
    »Jetzt wird euch euer Häusle verkauft. Dein Vater hat eine Schwarze geheirathet.«
    So zwitscherten die Jungen, wie die Alten sungen. Johannes schlug um sich auf Jeden, der ihm nahe kam, dann rannte er laut heulend das Dorf hinauf und stand nicht still, wenn ihn Manche fragten, warum er weine; er rannte unaufhaltsam fort heim zu seiner Mutter. Zilge stand in der Küche und schnitt Brod für eine Suppe: »Mutter, gieb mir das Messer,« schrie Johannes, »gieb's mir. Wenn der Vater kommt, stech' ich ihn mit todt.«
    Zilge entfiel im Schreck ob dieser Worte das Messer aus der Hand, sie wies den Knaben scharf zurecht, in ihrem Innern aber trauerte sie tief, da sie nun immer gräßlicher wahrnahm, welch ein Kind sie mit ihrem Hasse groß gezogen. Und dennoch wälzte sie die Hauptschuld auf Seb. Sollte ein so schlechter Vater ein braves Kind haben? Welch ein muthiger aufgeweckter Knabe wäre das unter dem Auge des Vaters geworden, und mit welchen Verbrechen wird er nun sein Leben erfüllen? ...
    Sie wußte das Kind nicht anders zu beruhigen, als indem sie ihm sagte: »Dein Vater kommt nie mehr wieder, und du bist mein Sohn und mußt brav sein und meine Stütze im Alter.«
    Dieses letzte allein beschwichtigte endlich den unnatürlich erregten Knaben; aber noch als ihn die Mutter schlafen legte, wollte er nicht beten, und als er endlich auf ihr Bitten die

Weitere Kostenlose Bücher