Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Worte sprach: »Lieber Gott, behüt' meinen Vater –« da warf sich Zilge auf ihn nieder und bedeckte ihn mit Küssen.
»Wirst sehen ich werd' für dich sorgen,« betheuerte das Kind und schlief endlich ein.
Zilge zündete kein Licht an und saß am Fenster, bald vor sich nieder, bald in den sternglitzernden Himmel schauend, wo Sternschnuppen hin und herflogen; sie hatte nichts mehr, das sie sich dabei wünschen konnte, als: Gott möge ihre Kinder in seinen Schutz nehmen, und sie brav werden lassen.
Auf der Bergwiese vor ihrem Hause war es heute Nacht lebendig, man mähte das Oehmd und der würzige Thauduft stieg zu Zilge empor, aber das Schnittrascheln der Sense zuckte ihr durch das Herz. Sie hielt mit der Hand fest die Fensterleiste, als wollte sie damit ihr Haus festhalten, und es nicht aus der Hand geben. Kann das Elend noch tiefer gehen? Warum kann man nicht sterben vor Kummer? Wie lange mußt du warten, bis der Tod dich nieder mäht? Das war ihr einziges Denken.
Des Zieglers Hund im Thale bellte, und alle Hunde im Dorf bellten ihm nach. Wenn ein Hund einen Feind abwehrt oder für sich klagt, stimmen Alle ein, die Menschen aber ... Zilge rieb sich oft die Augen, aber sie konnte nicht weinen, und die Augen mit der Hand zugedrückt, legte sie das Haupt auf das Fenstersims ...
Da öffnete sich die Thüre.
»Wer ist's? Wer will was?«
»Ein Bettelmann kommt und bittet.«
Wehe! was ist das für eine Stimme?
»Hülfe! Hülfe!« schrie Zilge zum Fenster hinaus.
»Sei ruhig, liebe gute Zilge, ich bin's, dein Mann –«
»Weg, weg, fort, ich will dich nicht, lebst du oder bist du todt, ich will dich nicht, nicht in dieser Welt und nicht in jener.«
Eine Hand legte sich auf Zilge, von Fieber geschüttelt zuckte sie zusammen, dann schrie sie laut auf und sank auf den Boden.
Die Mäher, die den Hülferuf gehört, kamen herbei; Seb, denn dieser war es, hieß sie wieder gehen, seine Frau habe eine Ohnmacht bekommen, sie sollten nur den Nachbar Küfer und dessen Frau holen.
Er richtete Zilge auf, und plötzlich fing sie laut an zu lachen.
»Gelt, du bist der Maurer Seb? Ja der Maurer, du hast mich lebendig eingemauert. Rühr' mich nicht an, nie, nie, und wenn du mit der Krone auf dem Kopf wiederkommst, ich will dich nicht mehr, geh hin, wo du gewesen bist, geh', geh'.«
Sie stieß ihn mit großer Macht von sich, und fing dann an laut zu weinen und zu schluchzen.
»Um Gotteswillen, Zilge, sei doch ruhig,« bat Seb, »häng' nicht Alles an die große Glocke, schrei nicht so. –«
»Du hast Alles an die große Glocke gehängt, mich, die Kinder, und das Haus. Es giebt gar nichts, was du nicht gethan hast; weg, weg,« rief sie noch lauter.
Die Nachbarn kamen und zündeten Licht an.
Als Seb nach seinen Kindern sehen wollte, sprang Zilge wie rasend auf und duldete es nicht.
»Er hat sieben Jahr nicht nach ihnen gesehen, sie gehen ihn nichts mehr an,« rief sie.
Seb und die Nachharn waren starr, da sie Zilge sahen, sie war leichenblaß, strich sich bald mit beiden Händen über die Stirn, bald streckte sie die Hände vor sich hin mit ausgespreizten Fingern, ihre Augen lagen weit heraus. So oft Seb ein Wort sagen wollte, schrie sie laut, als steche man sie mit Dolchen.
Die Kinder erwachten weinend, Seb rief ihnen zu, aber Zilge gebot ihnen, nicht zu antworten.
Vor dem Hause war Alles versammelt, was noch im Dorfe wach war. Der Maurer Seb ist wieder da, das hatte sich schnell verbreitet, aber Zilge raste und wüthete immer fort, und Seb mußte sich endlich aus seinem eigenen Hause vertreiben lassen, aus dem er vor Jahren entflohen war. Der Nachbar Küfer beredete ihn beschwichtigend dazu, und die Küferin versprach, diese Nacht bei Zilge zu bleiben. Seb reichte den Bewillkommenden kaum die Hand, denn er hörte vom Küfer, daß man an seiner Frau schon lange Anzeichen von Irrsinn bemerkt habe, sie habe sich ihre Verlassenheit zu sehr zu Herzen genommen und nur selten mit Jemand davon gesprochen. Am Morgen, als Seb in sein Haus kam, fand er Zilge noch schlafend, er näherte sich auf den Zehen ihrem ärmlichen Lager. Wie abgehärmt sah sie aus! Aber sie mußte doch seinen Blick gespürt haben, denn sie schlug mit der Hand um sich und wendete sich nach der Seite.
Die Küferin berichtete leise, wie Zilge ihr gestanden habe, als sie ihren Mann gehört, gesehen und seine Hand gespürt, habe sie nicht mehr gewußt, wo sie sei, was sie thue, und was sie rede, und da sei ihr auf einmal all das in den Sinn gekommen, was
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