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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Kopfe sei.
    Zilge freute sich mit dem Patente, als hätte sie damit ein großes Glück errungen, denn eine mühsam errungene Möglichkeit muthet oft schon an wie eine Erfüllung. In der That war sie nun auch heiterer als je auf ihren Wanderungen durch die Dörfer, und der Gewinn war rascher, als mit der langsamen Nadel am Stickrahmen. Die Leute waren überall freundlich gegen sie und wenn sie sich auch anfangs dessen schämte, fühlte sie doch bald ihre Kräfte wieder wachsen bei manchem nahrhaften Bissen, den man ihr schenkte. Manche Mitleidige sagten ihr noch, wie schön und stolz sie einst gewesen sei, und sie lächelte still dazu, wobei die Leute sie immer mit einer gewissen unruhigen Scheu betrachteten. Am Abend trug Zilge neben der Last auf ihrem Rücken noch immer in einem Handbündel allerlei Eßwaaren heim, und sie freute sich mit ihren Kindern, die sie den Tag über beim Nachbar Küfer gelassen.
    Auf ihren einsamen Gängen mußte Zilge immerdar ihres Mannes gedenken und wenn sie in ein Haus kam, zuckte ein eigentümliches Lächeln über ihr Antlitz, wenn man sie scherzweise »Frau Baumeisterin« nannte, sie aber sagte nie etwas darauf.
    Man sprach da und dort davon, daß viele Ausgewanderte in Amerika sich zu einem Kriege hätten anwerben lassen, und viele beim Bau der Panama-Eisenbahn gestorben seien. Zilge war es, als ob die Leute wüßten, daß ihr Mann nicht mehr am Leben sei, obgleich man ihr das stets ausredete. Die Leute sahen sie aber immerdar so wunderlich an. Was hatte das zu bedeuten?
    Zilge, die ehedem nicht in Sonnenhitze, nicht in Frost vor das Haus gekommen war, scheute jetzt kein Wetter, und mit einer sich stets gleich bleibenden Hast und Unruhe wanderte sie von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf, und ihre Mühe brachte erfreuliches Erträgniß. Im stillen Denken über Feld und durch den Wald setzte sie sich oft auch Termine, indem sie, ihres Mannes gedenkend, sagte: »Wenn er bis da und da nicht heimkömmt, so sind wir Beide verloren, er und ich, auf ewig geschieden.« Er kam nicht und sie war nur froh, daß sie diesen Vorsatz gegen Niemand ausgesprochen, als zu sich selber, sie konnte den Termin wieder weiter hinausrücken, und sie that es und malte sich's glückselig aus, wie sie ihm vergebe. Sie legte einmal mehrere Wochen den silbernen Trauring ab, den sie von Seb an der linken Hand trug, aber wenn sie in ein Haus kam, verdeckte sie mit ihrer rechten Hand die linke, und da Niemand bemerkt hatte, daß ihr etwas fehle, zog sie still den Ring wieder an. Nur der kleine Johannes hatte Acht darauf, denn er fragte: »Hast deinen Ring wieder gefunden?«
    Als aber Sommer und Winter vergingen, und keine Nachricht, nichts kam, setzte sich wieder eintöniger Haß in ihr fest. Er war es ja, der sie so in die Welt hinaus trieb. Wie kann er das je wieder entgelten?
    Im Vorfrühling schritt sie einst im Regensturm die Straße am Neckar dahin, der Wind wollte sie umreißen und machte ihr die regentriefenden Wangen glühen, da stand sie still, und plötzlich überkam sie, als müßte sie sich hinabstürzen und den Tod suchen in den Wellen; aber sie jagte rasch davon, und als sie heimkam, bat sie den Lehrer, ihr doch den Johannes auf einige Tage aus der Schule zu entlassen, daß er mit ihr gehe; sie gestand nur halb, wovor sie sich fürchtete, aber der Lehrer willigte doch ein. Im Geleite des Knaben, der ein Bündel trug, erfuhr sie nun immer mehr, welch eine Hässigkeit gegen den Vater in der Brust des Kindes sich festgesetzt hatte; er erzählte ihr, wie der Ziegler ihm gesagt: Seb habe in Jammerika eine Schwarze geheirathet und wolle nichts mehr von seiner Frau und seinen Kindern. Zilge gab sich viele Mühe, den Vater zu loben, aber es wollte ihr bei ihrer Gemüthsstimmung nicht gelingen.
    Eines Mittags suchte sie im Weitinger Walde unter einem Ahornbaum mit ihrem Knaben Schutz vor einem Platzregen. Mutter und Kind standen an den Stamm gelehnt, die Tropfen fielen so schwer nieder durch die Zweige, es raschelt auf den vorjährigen Blättern am Boden allezeit, als kämen Schritte von allen Seiten; in den Wipfeln saust es, und drunten der Neckar rauscht, und es läßt sich nicht mehr unterscheiden, was ist Waldessausen, und was ist Stromesbrausen. Der Kukuk hat noch kaum vor einer Weile gerufen und dabei so seltsam gelacht, ja, wer ihn tief im Walde belauscht, kann ihn hören wie er lacht: jetzt ist er auch still.
    »Ich möcht' nur auch den Kukuk einmal sehen,« sagte der kleine Johannes.
    »Laß ihn, dein

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